Osten, Westen
und Wellblech ständig die Balance zu verlieren drohten – und sich mit leiser, ernsthafter Stimme erkundigen hören, wohin er sich wenden müsse, um sich der Dienste eines zuverlässigen professionellen Einbrechers zu versichern. Der Name des jungen Mannes war Atta, und die Schurken in diesem Stadtteil lockten ihn schadenfroh in immer finsterere und einsamere Gassen, bis er in einem Hinterhof, der nass vom Blut eines geschlachteten Huhnes glänzte, von zwei Männern mit verhüllten Gesichtern überfallen, eines beträchtlichen Geldbündels, das er leichtsinnigerweise auf seinen einsamen Ausflug mitgenommen hatte, beraubt und so zusammengeschlagen wurde, dass er dem Tode nahe war.
Die Nacht brach herein. Der Bewusstlose wurde von unbekannten Händen ans Seeufer getragen und mit einer shikara auf dem Wasser weiterbefördert, bis er, geschunden und
blutend, am verlassenen Rand des Kanals niedergelegt wurde, der zu den Gärten von Shalimar führte. In der Morgendämmerung des nächsten Tages ruderte ein Blumenverkäufer mit seinem Boot durch den Kanal, dessen Wasser die bittere Nachtkälte die dunstige Konsistenz wilden Honigs verliehen hatte. Er entdeckte die dahingestreckte Gestalt des jungen Atta, der soeben begann, sich zu regen und zu stöhnen, und auf dessen nunmehr totenbleicher Haut unter einer sehr realen Schicht Reif noch immer ganz schwach der Schimmer des Reichtums auszumachen war.
Der Blumenverkäufer vertäute sein Boot und erfuhr, als er sich über den Mund des Verletzten beugte, von Lippen, die sich kaum noch zu bewegen vermochten, die gemurmelte Adresse des Ärmsten. Der Händler brachte Atta daraufhin in der Hoffnung auf ein reichliches Trinkgeld zu einer großen Villa am Seeufer, wo eine wunderschöne, unerklärlicherweise mit blauen Flecken übersäte junge Frau und ihre verzweifelte, doch ebenso ansehnliche Mutter – die beide, wie deutlich an ihren Augen zu erkennen war, vor Sorge kaum eine Minute geschlafen hatten – erschrocken aufschrien, als sie den reglos zwischen den traurig-kümmerlichen Winterblumen des erwartungsfrohen Floristen liegenden Atta, den älteren Bruder der schönen jungen Frau, erkannten.
Der Blumenverkäufer erhielt tatsächlich ein hübsches Sümmchen, nicht zuletzt, damit er schwieg, und spielt nun in unserer Erzählung keine Rolle mehr. Atta, der nicht nur stark unterkühlt war, sondern auch einen Schädelbruch erlitten hatte, fiel in ein Koma, angesichts dessen selbst die besten Ärzte der Stadt hilflos die Achseln zuckten. Daherwar es umso bemerkenswerter, dass in dem elendigsten und verrufensten Viertel der Stadt schon am nächsten Abend ein zweiter unerwarteter Besucher auftauchte: Huma, die Schwester des
unglückseligen jungen Mannes. Sie stellte dieselbe Frage wie ihr Bruder und erkundigte sich mit der gleichen leisen, ernsthaften Stimme: «Wo kann ich einen Dieb anwerben?»
Die Geschichte von dem reichen Dummkopf, der einen Einbrecher suchte, hatte sich bereits in sämtlichen verpesteten Hintergassen herumgesprochen, doch die junge Frau, die diesmal gekommen war, setzte hinzu: «Ich muss noch erwähnen, dass ich weder Geld noch irgendwelchen Schmuck bei mir trage. Da mein Vater mich enterbt hat, wird er auch kein Lösegeld zahlen, wenn ich entführt werde; außerdem habe ich bei meinem Onkel, dem Vizepräsidenten der Polizei, einen Brief hinterlegt, der geöffnet wird, falls ich nicht spätestens morgen früh heil und gesund wieder zu Hause bin. Durch diesen Brief erfährt er alle Einzelheiten meines Besuchs in diesem Stadtteil, und er wird Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um jene zu strafen, die mir etwas angetan haben.»
Ihre außergewöhnliche Schönheit, selbst unter den ihre Arme und ihre Stirn entstellenden bösen Prellungen und Quetschungen zu sehen, im Verein mit ihrem so sonderbaren Begehren, hatte eine beträchtliche Anzahl Neugieriger angelockt, und da sie mit ihrer kleinen Ansprache wirklich an alle Möglichkeiten gedacht zu haben schien, machte niemand den Versuch, ihr etwas anzutun, obwohl einige recht grobe Bemerkungen darüber fielen, wie merkwürdig es doch sei, dass sich jemand, der einen Verbrecher anzuwerben trachte, auf den Schutz eines hochstehenden Onkels bei der Polizei berufe.
Durch immer dunklere und menschenleerere Gassen wurde sie geführt, bis ihr in einem Durchgang, schwarz wie Tinte, eine alte Frau mit Augen, deren starrer Blick Huma sofort verriet, dass sie blind war, von einer Türöffnung her
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