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Ostfriesengrab

Ostfriesengrab

Titel: Ostfriesengrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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vorher zurechtgelegt, weil er mit der Frage rechnen musste?
    »Darin ist u.a. auch ein Bericht über gute Fischrestaurants in Ostfriesland. Es sind nur zwei darin, die ich noch nicht kenne. Ich habe es mir mitgenommen, um sie zu besuchen. Ich liebe Fischrestaurants.«
    Ann Kathrin beendete das Gespräch und lief die Treppe hoch. Ihr Exmann hatte das OMA immer mit Begeisterung gelesen, und weil ihm die Fotos so gut gefielen, bewahrte er die Ausgaben auf. Sie hoffte, dass er sie nicht mit zu seiner Geliebten, Susanne Möninghoff, genommen hatte.
    Sie hatte Glück. Sie fand das Novemberheft sofort und musste nicht lange blättern, dann sah sie das Foto. Es sprang sie regelrecht an. Ja. Genau so hatte die Tote im Rhododendronstrauch gehangen, wie mitten im Sprung eingefroren.
    Die Frau auf dem Foto war natürlich nicht nackt, sie trug einen pinkfarbenen Jazztanzanzug, der glitzerte, als sei er mit Goldstaub übersät.
    Holger Bloem hatte den Bericht über eine Jazztanzaufführung in den Dünen geschrieben. Die Frau auf dem Foto war Mareike Henning.
    Ann Kathrin atmete tief durch. Zweifellos hatte der Mörder sich von diesem Foto inspirieren lassen und einen großen Aufwand betrieben, um es zwischen den Blütenblättern im Schlosspark Lütetsburg nachzustellen.
    Ann Kathrin bemerkte nicht, dass Weller inzwischen hinter ihr stand. Er war einfach aus ihrem Sichtfeld verschwunden. Als er sprach, erschreckte sie sich.
    »Sie haben Ärger mit ihr gehabt«, sagte Weller. »Sie hat ihnen die Staatsanwaltschaft auf den Hals gehetzt. Sie haben versucht, ihr Angst zu machen, doch sie ließ sich nicht einschüchtern. Und dann haben sie dieses Foto von ihr im OMA gesehen. Das hat
ihre Rachegedanken beflügelt. Mein Gott, was gibt es doch für kranke Arschlöcher auf der Welt!«
     
    Während sie nach Aurich fuhren, um einen Haftbefehl für Meuling beantragen zu lassen, war Ann Kathrin sich schon gar nicht mehr so sicher, ob Meuling wirklich der richtige Mann war. Sie stellte sich vor, wie Gunnar Peschke in den frühen Morgenstunden im Lütetsburger Schlosspark saß und sein Werk betrachtete. Die Sonne ging auf, und er konnte sich an den Bildern nicht sattsehen. Nach eigenen Angaben war er so früh in den Park gekommen, dass sogar die Kasse noch geschlossen war. Er hatte angeblich einen Euro am Drehkreuz in den Kassenautomaten geworfen. War ihm gar nicht klar, wie schwer er sich damit selbst belastete? Hatte er gewartet, bis die Sonne günstig stand und sein Kunstwerk im richtigen Licht erscheinen ließ, um dann die Polizei zu rufen? Konnte jemand, der verrückt genug war, das zu tun, so vernünftig wirken?
    Bevor sie zu Staatsanwalt Scherer hochgingen, musste Weller noch eine rauchen. Er versprach Ann Kathrin, ihr den üblichen Konkurrenzkampf mit Scherer heute zu ersparen. Er wollte ihm auf rein professioneller Ebene begegnen. Doch kaum standen die beiden sich gegenüber, wurde Weller von dem fast unwiderstehlichen Drang gepackt, Scherer zu attackieren oder zu beleidigen. Am liebsten hätte er ihm eine reingehauen, und er konnte sich selbst nicht erklären, warum. Etwas an Scherers leicht überheblicher, schnoddriger, ja schnöselhafter Art und sein immer wieder misslungener snobistischer Versuch, sich wie ein englischer Gentleman zu kleiden, brachte Weller gegen ihn auf. Selbst Scherers Körperhaltung hatte etwas Hochnäsiges an sich, fand Weller.
    Ann Kathrin redete, und Scherer übersah Weller geradezu demonstrativ. Scherer wäre jeder andere als Mörder lieber gewesen als Meuling. Er befürchtete natürlich, dass seiner Behörde
eine Mitschuld an der Tat gegeben werden würde. Immerhin hatten sie die Chance verpasst, den Mord zu verhindern. Er bemühte sich, Ann Kathrins Argumentationsketten unschlüssig zu finden. Nachdem Ann Kathrin alle Verdachtsmomente vorgetragen hatte, zerpflückte er sie Punkt für Punkt:
    »Sie führen also allen Ernstes gegen Herrn Meuling ins Feld, dass Sie in seiner Wohnung ein Ostfrieslandmagazin gefunden haben. Was glauben Sie, wie viele Abonnenten hat das Blatt?«
    Zu seiner Verblüffung gab Ann Kathrin genaue Auskunft: »Die Auflage beträgt 15   000 Exemplare. Es gibt 8500 Abonnenten. Das Blatt wird sogar in die USA verschickt. Ostfrieslandfans gibt es scheinbar überall.«
    Scherer verzog seine Lippen zu einem süffisanten Grinsen. Wieder hätte Weller ihm eine reinhauen können.
    »Ja, ich lese es selbst auch. Wollen Sie mich jetzt auch zu den Verdächtigen zählen? – Wir brauchen Fakten!

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