Ostfriesengrab
übereinander. Sie gewährte ihm absichtlich einen tiefen Einblick und zwinkerte ihrer Freundin überlegen zu. Die setzte sich jetzt auch besser in Pose. Meuling verstand: es war eine Art Wettbewerb zwischen den beiden, wer mehr Männerblicke auf sich zog. Er lehnte sich zurück und bestellte sich noch einen Grappa.
Ich würde euch ja gerne mitnehmen, dachte er schmunzelnd. Alle beide. Aber da, wo ich hinfliege, gibt es von eurer Sorte genug, und wer nimmt schon eine Flasche Bier mit nach Dortmund?
Als Meuling den Botanischen Garten betrat, wartete sein Kunde am abgesprochenen Treffpunkt bereits auf ihn. Er trug einen schwarzen Beerdigungsanzug und eine Sonnenbrille. Ein bisschen sah er aus wie Tommy Lee Jones in
Men in Black
. Er hatte eine längliche schwarze Sporttasche von der Firma Puma bei sich. Ein Bodyguard, ebenfalls in einem schwarzen Beerdigungsanzug, begleitete ihn und wartete nicht weit entfernt.
Das kam Meuling zunächst noch nicht verdächtig vor. Wer sich mit Zweihundertfünfzigtausend in bar durch den Park bewegte, hatte durchaus Anspruch auf einen Bodyguard, fand er.
»Ich hoffe, es handelt sich nicht um Falschgeld«, sagte Meuling. Sein Gegenüber schüttelte den Kopf, sah sich kritisch nach allen Seiten um und öffnete dann vorsichtig die Sporttasche. Darin lag aber kein Geld, sondern ein Baseballschläger.
Meuling wollte flüchten, doch da schnitt der zweite Typ ihm den Weg ab. Er sprühte Meuling Pfefferspray ins Gesicht.
Meuling kreischte und schrie um Hilfe. Da zertrümmerte ein Baseballschläger sein rechtes Knie.
Jetzt gab es kein Entkommen mehr.
Dann traf ihn der Baseballschläger am Kopf.
Der Aufruf, Fotos aus dem Schlosspark Lütetsburg zu schicken, stand zuerst im Kurier, ging aber am gleichen Tag noch über Hitradio Antenne und DPA . Schon wenige Stunden später verstopften Tausende digitaler Fotos die Computer der Kripo Aurich. Es würde Monate dauern, das alles zu sichten. Trotzdem begannen Ann Kathrin und Weller.
Weller klickte die Fotos nur flüchtig durch. Es war ihm eine lästige und sinnlose Arbeit, die er eigentlich nur tat, um Ann Kathrin
zu gefallen. Doch sie wurde schon nach wenigen Stunden fündig. Auf einem Foto von Doris Raab entdeckte sie mitten in der Blütenpracht Gunnar Peschke.
Er war nicht vollständig drauf, denn Frau Raab hatte ja nicht ihn knipsen wollen, sondern die Rhododendronpracht. Unten auf dem Foto stand ein Datum und eine Uhrzeit. 02 .April, 12 . 46 Uhr.
Er war nur von schräg hinten zu sehen. Sein Gesicht von der Kamera abgewendet. Aber Ann Kathrin glaubte ihn deutlich zu erkennen.
Sie rief Weller und Rupert. »Schaut es euch an! Da steht er: Gunnar Peschke. Er hatte also Zeit, sich die Rhododendren vorher anzuschauen. Sich die Farben zu mischen und eine gute Stelle auszusuchen.«
»Ich weiß nicht, ob er das wirklich ist«, sagte Weller.
Aber Ann Kathrin war überzeugt. »Natürlich ist er das. Du hast ihn dir nur nicht so genau angeschaut wie ich.«
»Stimmt«, zischte Weller und spürte, dass wieder die Eifersucht in ihm hochstieg. Im Grunde hätte es ihm gut gefallen, wenn dieser Peschke ihr Mann wäre. Er mochte es nicht, wenn sie Männer so anguckte wie sie ihn angesehen hatte.
Ann Kathrin ließ Paul Schrader rufen. Er hatte schließlich zuerst mit Gunnar Peschke gesprochen und seine Personalien aufgenommen.
Schrader gab Ann Kathrin sofort recht. »Ja«, sagte er, »das könnte der ZDF -Mann sein.«
»Könnte? Was heißt könnte? Ist er es? Ja oder nein?«
»Also, beschwören könnte ich es nicht.«
»Selbst wenn er es ist – das beweist gar nichts«, stöhnte Rupert. »Dreht ihr jetzt plötzlich alle am Rad, oder was? Ich denke, wir haben diesen Meuling so gut wie auf Nummer sicher.«
Ann Kathrin rief Gunnar Peschke an. Er war hocherfreut,
ihre Stimme zu hören, und erkundigte sich zunächst nach dem Wetter in Ostfriesland. Sie musste sich eingestehen, es gar nicht wahrgenommen zu haben, und sah zum Fenster hinaus.
»Blauer Himmel«, sagte sie, »und ein paar Schäfchenwolken.«
»Ist gerade Ebbe oder Flut?«
Ann Kathrin schluckte. »Ich weiß es nicht.«
Dann fragte Ann Kathrin ihn, wann er zum letzten Mal in Ostfriesland gewesen sei.
»Na, als wir uns getroffen haben, Frau Kommissarin. Erinnern Sie sich nicht mehr?«, scherzte er.
»Und davor? Wann waren Sie das letzte Mal vor unserem Zusammentreffen da? Haben Sie den Lütetsburger Park schon einmal besucht?«
»Aber ja«, sagte er. »Im April gibt es keinen
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