Ostfriesengrab
schöneren Platz auf Erden. Die Farben, die Düfte … « Er geriet ins Schwärmen.
Ann Kathrin stoppte ihn. »Wann genau?«
»Anfang April war ich in diesem Jahr zum ersten Mal da. Das mache ich immer im April.«
»Ach – so wie andere jedes Jahr am 24 .Dezember Weihnachten feiern?«
Er antwortete nicht, sondern lachte nur. War das das Lachen eines unschuldigen Menschen, der nicht mal ahnte, dass er verdächtigt wurde, oder war er einfach nur abgebrüht und mit allen Wassern gewaschen?
»Ich hoffe, Sie haben Ihren Mörder und machen aus Ostfriesland wieder eine sichere Gegend.«
»Ja«, sagte Ann Kathrin. »Ich glaube, wir haben ihn bereits.«
Sie legte auf und empfand das Gespräch irgendwie als Niederlage, obwohl sie doch eigentlich recht behalten hatte. Er war das da auf dem Foto. Und er gab es unumwunden zu.
Mareike Hennings Vater Peter und ihr Freund Markus Sassen saßen am Wohnzimmertisch, dem Wagenrad mit der dicken Glasplatte, und betranken sich. Sie rechneten damit, noch heute Abend verhaftet zu werden. Es war ihnen egal. Sie waren stolz auf sich.
Den Schäferhund hatten sie für achtzig Euro an den Nachbarn verkauft. Sie wollten das Tier versorgt wissen, wenn man sie abholte.
Sie hatten geglaubt, es würde ihnen helfen, die Trauer um Mareike zu ertragen. Die Planung der Rache hatte gutgetan. Die erfolgreiche Ausführung der Aktion auch. Aber jetzt war alles anders. Sie fragten sich, ob Meuling noch lebte oder nicht. Nicht dass sie Mitleid mit ihm gehabt hätten. Nein. Aber die Höhe ihres Strafmaßes hing vermutlich davon ab.
Peter Henning glaubte nicht wirklich, dass er dafür zur Rechenschaft gezogen werden würde. »Wir werden Volkshelden sein«, sagte er. »Die Leute da draußen, die sehen das alle anders als die studierten Richter. Wenn mehr Väter so handeln würden wie wir, dann würde keiner mehr unsere Kinder entführen und umbringen. Kein Psychologe könnte den Täter später gesundbeten und kein durchgeknallter Richter ihn als geheilt aus der Haft entlassen. Auge um Auge. Zahn um Zahn.«
Markus Sassen war bisher kein Verfechter der Todesstrafe gewesen. Im Gegenteil. Aber seine Meinung hatte sich radikal geändert. Er trank schneller als Peter Henning und er war gut fünfzehn Kilo leichter, daher wirkte der Alkohol bei ihm schneller.
Auf dem Weg zur Toilette stolperte er und knallte im Flur lang hin. Danach spülte er noch einen Johnny Walker mit einem Jever-Pils runter, während Peter Henning mit klarem Schnaps weitermachte.
Markus Sassen schlief nicht im Wohnzimmer auf dem Sofa ein. Es … glich eher einer Ohnmacht.
Peter Henning schaffte es noch bis zum Bett. Er ließ sich angezogen darauffallen.
Ihre Koffer standen gepackt in der Küche. Schlafanzüge. Socken. Unterwäsche. Doch sie wurden in dieser Nacht nicht verhaftet. Die Kripo Duisburg sah noch keine Veranlassung, die Nachricht vom Überfall auf Meuling nach Ostfriesland weiterzugeben.
Weller checkte seine Mails an Ann Kathrins Laptop. Schon als er sah, dass er eine Mail von seiner Exfrau Renate bekommen hatte, lief es ihm heiß und kalt den Rücken hinunter. Er musste die Mail gar nicht erst öffnen. Er wusste sofort, dass er mal wieder zu lange gezögert hatte. Jetzt musste er es Ann Kathrin sagen. Ihm blieb keine andere Möglichkeit mehr.
Er ging runter zu ihr in die Küche. Sie blätterte in einem Wäschekatalog. Seit sie mit Weller zusammenlebte und nicht mehr mit Hero, interessierte sie sich für schöne Unterwäsche. Keine übertriebenen sexy Dessous, nein, das wollte sie nicht. Vieles sah ihr zu nuttig aus. Aber sie wollte sich wohl fühlen in neuer Wäsche und schön sein. Ein bisschen für ihn, aber sicherlich auch für sich selbst.
Natürlich konnte sie sich so etwas auch in Norden kaufen oder in Aurich, doch sie kam sich komisch dabei vor. Es musste ja nicht jeder wissen, was die Kommissarin untendrunter trug.
Als Weller hereinkam, blätterte sie im Katalog rasch ein paar Seiten um. Jetzt war sie bei Regenkleidung für Kleinkinder.
Er sah so blass um die Nase aus und gestikulierte, als würde er sich in einem Wespenschwarm befinden. Etwas war ihm unheimlich peinlich. Sie sah ihn an und versuchte, ganz ruhig zu bleiben.
Egal, was er dir jetzt sagt, du musst gut reagieren, dachte sie. Er rechnet damit, dass er Stress kriegt. Vielleicht will er heute
Abend mit seinen Freunden Skat spielen oder ein Fußballspiel angucken oder irgendetwas anderes, weswegen Renate ihm früher Stress gemacht hat. Zeig
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