Ostfriesengrab
schlechten Fischbrötchen nicht satt geworden. Er hätte jetzt problemlos zwei Schweinshaxen verdrücken können.
»Ich frage mich«, sagte Ann Kathrin nachdenklich, »wie er auf die Methode gekommen ist. Hat er irgendeine Phantasie ausgelebt, mit der er schon lange herumlief? Oder ist das Ganze aus einem Film oder einem Buch abgekupfert?«
An ein Buch glaubte Weller nicht. »Typen wie der lesen keine Bücher«, behauptete er. »Außerdem hatte der in seiner Wohnung zwar viele DVDs liegen, aber da war kein einziges Taschenbuch.«
Dass Meuling und seine zwei Kumpels sich zu Hause mit einer Dose Bier in der Hand irgendein B-Movie aus den USA reingezogen hatten und dabei auf die Idee kamen, Mareike Henning zu ermorden, konnte Weller sich sehr gut vorstellen.
»Mareike Hennings Vater und ihr Freund haben Meuling die Staatsanwaltschaft auf den Hals gehetzt. Markus Sassen ermittelte in eigener Sache weiter. Rechtsanwalt Hinrichs forderte die Staatsanwaltschaft ständig im Namen seiner Klientin auf, den Fall ernst zu nehmen und tätig zu werden. Wahrscheinlich hatte
Meuling noch nie solchen Widerstand zu spüren bekommen. Inzwischen war sogar klar, dass es seinen geheimnisvollen Sidorov gar nicht gab. Die drei mussten damit rechnen, dass ihre Geschäfte bald auffliegen würden … Und Henning und Sassen blieben weiter hart am Ball.«
»Wenn sie die junge Frau zusammengeschlagen hätten«, sagte Weller, »hätte jeder normalintelligente Staatsanwalt gewusst, dass sie es gewesen waren. Erpressung … Körperverletzung … da kommt schon einiges zusammen. Und dann sehen die so einen irren Mord in irgendeinem Scheißsplattermovie. Und sie überlegen sich, es genau so zu machen, damit ihnen keiner draufkommt.«
Ann Kathrin entwickelte Wellers Gedanken weiter: »Meuling machte einen Versuch, sie zu entführen. Das ging gründlich schief. Die drei steigerten sich immer mehr da hinein, und wahrscheinlich bekamen sie auch immer mehr Spaß an der Sache.«
Weller rieb sich sein Bein. Es tat immer noch weh von dem Sprung in Meulings Rücken.
»Ich wette«, sagte er, »wenn wir Meulings DVDs beschlagnahmen, finden wir darunter einen Film mit der exakten Vorlage.«
Er grinste. Er stellte sich vor, welche Genugtuung es ihnen bereiten würde, vor den Augen der Duisburger Kollegen Meuling Handschellen anzulegen und des Mordes zu überführen.
Am liebsten wäre Ann Kathrin zurückgefahren, um sich Meulings DVD -Sammlung zu holen. Doch für heute war sie erledigt. Sie beschloss, es über den Dienstweg zu versuchen. Sollte sich doch Staatsanwalt Scherer darum kümmern.
Zu Hause kochte Ann Kathrin Spaghetti mit Pesto. Weller öffnete eine Flasche Biorotwein, den er für fünf Euro neunzig im Combi gekauft hatte und der ihm erstaunlich gut schmeckte.
Ann Kathrin war Weller dankbar, dass er beim Essen kein Wort mehr über die Duisburger Niederlage verlor. Danach warf
sie sich im Wohnzimmer auf die Couch und legte die Beine hoch. Sie kamen ihr merkwürdig schwer vor, als würde das Blut nicht abfließen, sondern sich in den Füßen und Waden stauen.
Weller war für so etwas erstaunlich sensibel. Er holte ihr zwei große Kissen und begann dann wortlos, fast spielerisch, Ann Kathrins Füße zu massieren.
Sie schloss die Augen und genoss es.
Sie glaubte, die Berührung an den Füßen im ganzen Körper zu spüren. Weller rieb die Spitze ihres großen Zehs mit seinen Fingern. Sofort begann ihre Stirn zu kribbeln. Sie stellte sich vor, dass der Arbeitsstress aus ihr herausrieselte wie feiner Sand nach einem Strandspaziergang aus der Kleidung.
Sie nickte ein bei der Fußmassage. Als sie wach wurde, weil das Telefon klingelte, wusste sie nicht, ob es nur ein Sekundenschlaf gewesen war oder ob sie seit Stunden auf dem Sofa schlief. Jedenfalls hatte Weller seine Hände immer noch an ihren Füßen
Er bat sie, das Telefon einfach zu ignorieren. Für heute sei Feierabend.
Dann wollte er sie ins Bett tragen. Das war zwar romantisch und er kam sich ein bisschen heldenhaft dabei vor, aber gleichzeitig war es gar nicht gut für seine Bandscheiben.
Schon in der Hebebewegung spürte er einen stechenden Schmerz im Rücken, der von der Wirbelsäule hochjagte bis in seinen Kopf. Er ließ Ann Kathrin los, und sie plumpste aufs Sofa zurück. Gekrümmt stand er da wie versteinert, mit schmerzverzerrtem Gesicht und mit den Händen, die gerade noch so liebevoll ihre Füße massiert hatten, tastete er jetzt seinen Rücken ab. Er schaffte es gar nicht mehr,
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