Ostfriesengrab
nur recht. »Hast du gehört, Frank? Sie brauchen dich. Tschüs.«
»Mach es mir doch nicht so schwer, verdammt!«
»Ich soll es dir nicht schwer machen? Du hast gerade die Wohnung von deinem alten Schulfreund gestürmt, während ich … «
Sie sprach nicht weiter.
»Ann, wir wussten nicht, dass du da drin bist. Wir hatten einen wichtigen Hinweis. Wir denken, dass er der Friseur ist. Also, Rupert denkt es. Ich kann es mir nicht wirklich vorstellen, aber es gibt Indizien, die können wir nicht übersehen.«
»So? Was denn für Indizien? Nur weil ihr Scheißmachotypen eifersüchtig auf ihn seid? Er ist doch vermutlich der meist gehasste Mann hier in Norden, also von den Männern auf jeden Fall, weil er jede zweite Ehefrau schon mal gemalt hat. Du kannst mir doch nicht erzählen, dass das hier mehr ist als ein Rachefeldzug!«
Weller atmete schwer aus. »Ja, wahrscheinlich hat er mehr Frauen nackt gesehen als jeder Frauenarzt. Aber darum geht es nicht, Ann. Er hat zwanzig von diesen Stangen bekommen, mit denen Mareike Henning aufgespießt … «
Für einen Augenblick sah sie aus, als ob sie ohnmächtig werden würde. Weller breitete die Arme aus, um sie aufzufangen. Aber sie wehrte ab: »Nicht. Fass mich jetzt nicht an.«
Um die Nase herum war sie blass geworden und ihre Lippen waren ganz im Gegensatz zu sonst schmal und blutleer.
»Glaubst du, wir hätten sonst so übereilt zugegriffen?«
Scherer war beim Verhör dabei. Er stand unbeweglich wie ein Möbelstück in einer Ecke des Raumes.
Ubbo Heide und Rupert übernahmen die Befragung. Weller saß auf einem Bürostuhl und rollte seinen Kopf von der linken Schulter zur rechten. Es knackte und knirschte unangenehm, aber Weller stöhnte, als würde es ihm guttun.
Ubbo Heide las Zimmermann seine Rechte vor. Der unterbrach ihn: »Ich weiß, ich weiß, das hat Ihr Kollege mir bereits alles gesagt. Ich bin nicht schwachsinnig. Sie müssen mir nicht dauernd dasselbe erzählen. Ich weiß, dass ich ein Recht auf einen Anwalt habe, aber was ich jetzt brauche, ist kein Anwalt,
sondern eine Zigarette. Ich habe den ganzen Morgen noch keine geraucht. Ich bin nikotinsüchtig, das passt Ihnen vielleicht nicht, ist aber völlig legal. Bevor ich keine geraucht habe, sage ich gar nichts, ist das klar?«
»Im ganzen Gebäude ist das Rauchen nicht gestattet.«
Zimmermann verschränkte die Arme vor der Brust. »Dann bringen Sie mich eben in ein anderes Gebäude, oder wir setzen das Verhör draußen an der frischen Luft fort.«
Weller mischte sich ein: »Okay, okay, gehen wir beide zusammen eine rauchen. Ich könnte jetzt auch ein bisschen Nikotin vertragen.«
Ubbo Heide schüttelte den Kopf und lachte bitter: »Nach draußen? Soll ich euch ein Sondereinsatzkommando mitgeben? Oder findest du es witzig, wenn der nächste Gefangene türmt?«
Dann bestand Zimmermann plötzlich darauf, dass sein Anwalt Torsten Hinrichs gerufen werden solle.
Drei Zigaretten und zwanzig Minuten später besprach sich Rechtsanwalt Hinrichs alleine mit seinem neuen Mandanten. Die beiden kannten sich, weil Hinrichs mal einen Streit gegen einen Postkartenverlag für Zimmermann gewonnen hatte. Sie hatten sechs Motive von Zimmermann auf Postkarten gedruckt, aber ihm nie eine Abrechnung geschickt, sondern sie waren der Meinung, das sei doch schon Werbung genug für ihn und seine Bilder.
Hinrichs hatte fast zweitausend Euro herausgeholt, und Zimmermann war der Meinung, wer das könne, sei auch in der Lage, ihn hier herauszupauken. Sie redeten kurz miteinander, dann ließ Heiner Zimmermann seinen Anwalt für sich sprechen. Er stritt nicht ab, dass sein Mandant die Stahlstangen gekauft habe. Angeblich existierte dafür sogar eine ordentliche Rechnung mit ausgewiesener Mehrwertsteuer.
Zimmermann konnte über den Verbleib einer jeden Stange
Rechenschaft ablegen. Ubbo Heide wurde es heiß und kalt, während Hinrichs sprach.
»Herr Zimmermann brauchte diese Stangen für seine Skulpturengruppe
Sieben Meerjungfrauen und der Gott des Meeres.
Die Stangen verleihen den Skulpturen die nötige Stabilität. Die Skulpturen befinden sich im Moment auf einer Ausstellung in Holland am Meer. Sie sind derzeit in Groningen zu sehen. Von dort werden sie nach Katwijk und Nordwijk gebracht werden.«
Grimmig fügte Heiner Zimmermann hinzu: »Eigentlich waren sie für die ostfriesischen Inseln gedacht, aber da hatte ja keiner Interesse!«
Weller war über diese Aussagen sehr erleichtert. Er atmete jetzt freier.
Scherers
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