Ostfriesengrab
Gesicht wurde immer länger. Er sah die schöne Pressekonferenz und die Erwähnung in den Abendnachrichten am Horizont verschwinden.
Nur Rupert gab noch nicht auf, sondern drohte: »Okay, das schauen wir uns an. Wir fahren jetzt gleich los. Ich werde die erste dieser Skulpturen zerdeppern, und wehe, ich finde darin keine von diesen Scheißstahlstangen!«
Ubbo Heide sah entschuldigend zu Scherer, aber Scherer schritt sofort ein. »So geht das leider nicht. Mäßigen Sie Ihre Leute, Herr Heide. Wie stehen wir vor der Weltöffentlichkeit da – wie die letzten ostfriesischen Kunstbanausen! Erstens zerdeppern wir keine Meerjungfrauen, sondern wenn, dann werden die Skulpturen geröntgt, und zweitens warten wir damit, bis die Figuren wieder in Deutschland sind.«
»Warum?«, wollte Rupert wissen.
»Weil es zu internationalen Verwicklungen führen könnte.«
»Internationale Verwicklungen? Ja, wo sind wir denn hier?«, bellte Rupert.
Scherer sprach gar nicht mit Rupert, sondern redete nur mit
Ubbo Heide. Gleichzeitig waren die Worte aber für Rupert und Weller bestimmt: »Wenn wir jetzt Amtshilfe von den holländischen Kollegen beantragen, dann läuft das, sagen wir mal, wenn es besonders zügig geht, sechs, vielleicht zehn Wochen. In der Zeit ist der Sommer rum, und ich glaube kaum, dass die Meerjungfrauen dann immer noch an der Küste ausgestellt werden. Stimmt’s? Das ist doch eine reine Touristenattraktion, oder nicht?«
Hinrichs sah Zimmermann an. Der nickte. »Die Statuen kommen Mitte September zu mir zurück – falls sie bis dahin keinen Käufer gefunden haben.«
»Warum grinst der so dämlich?«, fragte Rupert und zeigte auf Zimmermann.
»Weil es ihm vermutlich ganz recht gewesen wäre, wenn Ihre tollpatschigen Hitzköpfe«, antwortete Scherer in Richtung Ubbo Heide, »in Holland pressewirksam eine Meerjungfrau zerschlagen würden, nicht wahr, Herr Zimmermann? Eine bessere, öffentlichkeitswirksamere Geschichte können Sie sich doch kaum vorstellen, oder? Die Preise würden augenblicklich in die Höhe schnellen. Es kommt nur darauf an, in die Zeitung zu kommen, egal, wie. Und als unschuldig verdächtiger Künstler – das wäre doch mal was … «
»Sie kennen sich ja scheinbar auf dem Kunstmarkt sehr gut aus«, scherzte Zimmermann und sah zu Weller. Weller traute sich kaum, den Blick seines alten Schulfreundes zu erwidern.
Ubbo Heide war immer noch wütend über das Nacktporträt seiner Tochter auf dem Barren. Er nahm sich vor, das aus dem Verhör herauszuhalten, aber später würde er es klären. Mit ihr und mit ihm. Notfalls würde er dieses Bild kaufen. Auf keinen Fall sollte es in fremde Hände geraten.
»Ja, dann habe ich eigentlich nur noch eine Frage«, giftete Rupert in Richtung Scherer und Ubbo Heide. »Wenn wir bis Mitte September warten, soll der dann solange frei herumlaufen
oder … « Rupert wandte sich abrupt zu Heiner Zimmermann um. »Oder setzen wir ihn solange hier fest?«
Rupert zog die Augenbrauen hoch und beobachtete genüsslich die Reaktion von Heiner Zimmermann.
Rupert griff in seine Hosentasche, weil das eingelaufene Gummi von seinen Designer-Slips, Größe 5 , seine Eier einklemmte.
Hinrichs sah auf seine Uhr. »Das entscheiden nicht Sie, sondern, wenn überhaupt, dann der Haftrichter. Die Gründe für eine U-Haft scheinen mir allerdings sehr fragwürdig zu sein … «
»Mir auch«, gab Staatsanwalt Scherer offen zu und warf Rupert und Weller vernichtende Blicke zu.
Weller stand auf und streckte sich. Hinrichs verließ mit Zimmermann den Verhörraum. Scherer eilte an seinen mit Akten überbordenden Schreibtisch zurück, und Ubbo Heide schloss sorgfältig die Tür, obwohl er sie am liebsten zugeknallt hätte, so geladen war er.
Rupert trat vor Wut, als er mit Weller allein im Raum war, gegen den Bürostuhl. Der krachte gegen die Wand, und ein Stück vom Plastikgehäuse über den Rollen brach ab. »Scheiße, Scheiße, Scheiße!«, schrie Rupert.
Ubbo Heide öffnete die Tür wieder und sagte: »Vielleicht sollten wir uns wieder unserem ursprünglichen Verdächtigen widmen. Ich erwarte, dass Meuling in den nächsten vierundzwanzig Stunden hier in diesem Raum vor mir sitzt. Und dann nageln wir ihn fest.«
Ubbo Heide stellte trotz allem einen Diensthilfeantrag an seine niederländischen Kollegen. Er machte es dringlich, hatte aber wenig Hoffnung, dass das Ganze in den nächsten Wochen erledigt werden würde. Wahrscheinlich war der Septembertermin, wenn die Skulpturen
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