Ostfriesengrab
Sei mir nicht böse. Verena Glücks Mann ist nach seinem ersten Schock nun vernehmungsfähig. Ich muss hin, um mit ihm zu … «
»Alles Gute, Frank.«
Ann Kathrin lief in den Garten zurück und trampelte die Maulwurfshügel beim Birnbaum platt. Sie kam sich dabei vor, als sei sie wieder ein kleines Mädchen, das wütend mit den Füßen aufstampfte, weil Papi nicht so wollte wie sie selbst.
Dann lief sie ins Haus zurück und setzte sich an ihren Computer. Sie gab bei Google »Norderney, Mord, Fotos« ein, und wenige Sekunden später hatte sie auf mehr als 30 Seiten Angebote der Bilder.
Sie öffnete als Erstes einen Webblog und sah das zweite Opfer. Auf den ersten Blick wirkte das Foto wie eine brillante Landschaftsaufnahme. Die Dünen. Der Himmel über der Nordsee. Die aufgehende Sonne. Eine typische Postkarte aus Ostfriesland. Aber ganz vorne stimmte etwas nicht. Da schien sich aus dem
Dünensand etwas hochzuarbeiten, wie ein gigantischer Krebs, ein unheimliches Tier, mit langen blonden Haaren.
Ann Kathrin vergrößerte das Foto. Sie ließ es sich ausdrucken und versuchte, sich in die Situation hineinzuversetzen, so als wäre sie jetzt vor Ort. Sie unterdrückte den Impuls hinzufahren, um sich die Stelle genauer anzusehen.
Dann lief es ihr heiß den Rücken hinunter. Sie rief Weller noch einmal an. Nach dem dritten Klingeln meldete er sich. Er versuchte, nicht genervt zu klingen, doch sie merkte ihm an, wie sehr er sich bemühte, sich im Griff zu halten und sie nicht anzufahren. Irgendjemand machte ihm enormen Druck.
Hinter ihm hörte Ann Kathrin mehrere Tastaturen klappern. Und da waren ein paar Stimmen, die sie nicht genauer identifizieren konnte. Fremde Kollegen, die vermutlich zur SOKO Friseur gehörten.
»Frank, er hat das Foto selbst ins Netz gestellt.«
»Nein, Ann. Wie kommst du darauf? Es waren jede Menge Urlauber dort. Sie haben Fotos gemacht. Ich glaube, es ist von Sebastian Köhler. Er hat mit seinem Handy … «
»Unsinn. Die Aufnahme wurde nicht mit einem Handy gemacht, sondern mit einer sehr guten Kamera.«
»Meinetwegen. Dann hat es eben einer der Touristen gemacht. Wir hatten die Sache nicht im Griff.«
»Wann wurde die Leiche gefunden?«
»So gegen neun Uhr. Bis wir da waren, hat es natürlich gedauert … «
»Siehst du. Und auf dem Foto geht gerade die Sonne auf.«
»Ach, du Scheiße. Du hast recht, Ann. Aber was bedeutet das für uns?«
Ihr Hals wurde trocken. Sie sah sich auf dem Schreibtisch nach einer Wasserflasche um, fand aber nur eine, die leer war.
»Zunächst mal sagt es uns, dass er die Dokumentation seiner Inszenierung nicht irgendwelchen Hobbyfotografen überlassen
wollte. Aber wir sollten uns fragen, warum er das im Schlosspark Lütetsburg nicht gemacht hat.«
Weller versuchte, Ann Kathrin loszuwerden. »Ja, ich danke dir für die Information. Ich werde das den Kollegen hier sagen und wir diskutieren das dann.«
Sie fuhr fort, als ob Weller das gar nicht gesagt hätte und sie selbst immer noch die Ermittlungen leiten würde: »Er hat es beim ersten Mord nicht getan, weil er dachte, dass wir es tun. Weil wir die Fotos unterdrückt haben, macht er es jetzt selber. Er lernt aus unserem Verhalten.«
»Ja, ein guter Hinweis. Wir werden versuchen herauszufinden, wer die Fotos eingestellt hat. Vielleicht können wir das zurückverfolgen und dann … «
Ann Kathrin wurde wütend: »Frank, wir haben es nicht mit einem Idioten zu tun!«
Weller schluckte. Er wusste, dass sie recht hatte. »Ich würde dich wirklich gern hierhin holen. Mir wäre nichts lieber, als mit dir zusammen zu arbeiten, aber … «
»Da ist noch etwas, Frank. Wenn er sie nicht direkt vor Ort umbringt, braucht er ein Transportfahrzeug. Er muss ganz sicher gehen, dass das Ding gut funktioniert. Er kann nicht riskieren, damit liegenzubleiben. Gleichzeitig muss es ein unauffälliger Wagen sein.«
»Du meinst, so wie der VW -Bus von Torsten Meisters Vater?«
»Möglicherweise ein Wagen mit Vierradantrieb. Vermutlich ziemlich neu und für seine Bedürfnisse ausgestattet.«
Neugierig geworden hakte Weller nach: »Was heißt das?«
»Nun, dunkle Scheiben. Er muss verhindern, dass man bei ihm reinguckt. Vielleicht ein Firmenwagen. Möglicherweise die Dublette von einem richtigen Firmenwagen.«
»Denkst du echt, der kopiert irgendetwas?«
»Ich finde es nahe liegend. Ich an seiner Stelle würde es so
machen. Irgendein Firmenwagen, den wir alle kennen, weil er oft durch die Stadt fährt. Ein
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