Ostfriesensünde
Sache telefoniert? Ich muss dir ja wohl nicht sagen, dass alle diese Personen für Ann Kathrin unter Mordverdacht stehen.«
Weller begann an den Fingern aufzuzählen: »Ich habe kurz mit Rupert darüber gesprochen, mit dir, meinem Informanten bei … «
Ubbo Heide unterbrach Weller barsch: »Weiß Ann Kathrin das schon?«
Weller schüttelte den Kopf. »Nein, aber ich kann es nicht lange vor ihr geheim halten. Wie stellt ihr euch das vor? Wir wohnen in einem Haus, schlafen in einem Bett. Ich kann ihr nicht länger aus dem Weg gehen.«
Ubbo Heide zerkaute noch zwei Kompensan. Dann drückte er Weller vor sich in den Sessel. »Jetzt hör mir mal gut zu, Frank. Du wirst ihr verdammt nochmal sagen, dass du vor dem Tod von Frau Klocke mit niemandem darüber geredet hast. Erzähl ihr meinetwegen, du hättest die Namen in die Libi-Datei eingegeben und da nichts gefunden. Du hast da auch eine Verantwortung deinen Kollegen gegenüber, und denk auch an Ann Kathrin! Die Lawine, die sie lostreten will, könnte am Ende sie selbst beerdigen. Stell dir das mal vor, wie will sie hier weiter mit uns Dienst tun als nette Kollegin, wenn sie uns alle und deine Vertrauensleute wegen Mordes verdächtigt? Sie macht sich damit nicht nur lächerlich und unbeliebt. Sie katapultiert sich selbst aus dem Dienst. Das Ende der Fahnenstange ist erreicht, Frank.«
»Ich soll sie also anlügen?«
»Nenn es, wie du willst. Ich würde eher sagen, du beschützt sie vor einer großen Dummheit, die sie später sehr bereuen wird. Überzeuge sie stattdessen, gemeinsam mit dir dabei zu helfen, dieses Monster zu erledigen. Sie gehört in die SOKO Maurer und du auch.«
Eigentlich mochte Weller Ubbo Heide sehr. Er stellte sich im Ernstfall immer vor die Kollegen oder stärkte ihnen den Rücken. Er war nicht der große Fehlersucher, der andere fertigmachte. Er versuchte nur, alles in ordentlichen Bahnen zu halten und nichts aus dem Ruder laufen zu lassen.
Weller war sich nicht ganz sicher, ob Ubbo Heide etwas zu verbergen
hatte oder ob er wirklich die Kollegen vor Ann Kathrins Verdächtigungen schützen wollte und Ann Kathrin vor ihrem eigenen Übereifer. Trotzdem erwischte er sich dabei, heimlich auf der Toilette eine Liste mit allen Personen zu machen, mit denen er in dieser Sache gesprochen hatte.
Rupert. Ubbo Heide. Hubert Jüttemeier. Der Kollege von der NLBV . Klaus Zinger von der Sparkasse. Jeder von denen konnte es Freunden und Ehepartnern erzählt haben.
Nein, in dieses Gedankenkarussell wollte er erst gar nicht einsteigen … Er riss sich zusammen und war froh, eine Verabredung mit Huberkran zu haben. Er fragte sich, ob Huberkran immer noch verheiratet war. Irgendetwas sagte ihm, dass er die Trennung noch nicht hingekriegt hatte.
Huberkran war ganz schön aufgestiegen, zum Leiter der Tatort-Abteilung beim BKA . Beruflich nahm er jede Hürde und schaffte alles, privat ging er immer wieder vor seiner Frau in die Knie.
Weller bereitete sich auf ein Gespräch vor, das sicherlich nur zum Teil beruflich werden würde, das möglicherweise Wichtigere fand ja meist auf der privaten Ebene statt.
Er konnte es kaum noch abwarten, sie einzumauern. Er beobachtete sie seit vier Stunden. Er war ihr von Bremen nach Delmenhorst gefolgt.
Sie besuchte ihre Eltern, und er wusste genau, was sie vorhatte. Sie wollte die beiden in ein Pflegeheim abschieben. Natürlich würde sie das Haus in Delmenhorst verkaufen, um endlich ihre eigene miese, kleine Sozialwohnung in Bremen verlassen zu können.
Er malte sich aus, mit welch verführerischen Worten sie versuchte, ihre Eltern davon zu überzeugen, dass so ein Pflegeheim für sie doch viel besser sei, weil sie sich angeblich inzwischen nicht mehr alleine versorgen konnten.
Ich werde dir einen Strich durch deine Geschäfte machen, dachte er. Deine Eltern werden dich überleben. Du wirst ihr Geld nicht verjuxen. Wenn man dich rechtzeitig findet, werden sie an deinem Grab stehen und Tränen vergießen. Aber vielleicht werden sie auch sterben, bevor irgendjemand die Mauern einreißt und deine Gebeine findet.
Er fand die Todesart für sie genau richtig. Sie musste in völliger Dunkelheit sitzen, wie die anderen. Verzweifelt. Abgeschnitten von allem. Zurückgeworfen auf sich selbst. Ohne einen Funken Hoffnung. Doch es tat ihm leid, dass er sie dabei nicht beobachten konnte. Stunden-, manchmal tagelang saß er auf dem Stuhl und hörte ihr Schreien und Flehen. Doch das meiste fand in seiner Phantasie statt. Er hörte,
Weitere Kostenlose Bücher