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Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer

Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer

Titel: Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Ihr Gefangener stakte den Nachen mitten den Nil hinunter, der hier derart gestiegen war, daß beide Ufer ziemlich weit entfernt waren. Doch auch wenn der Fluß breiter war, hatte sich das sandige Antlitz der Wüste nicht verändert: Meile um Meile rostroter Sand, der sich in der Ferne verlor. Nur ein Haufen eingestürzter Steine am Flußufer unterbrach das eintönige Bild, die gewaltigen, aber schon lange verödeten Reste eines Bauwerks, nach dem sich Orlando nicht erkundigen wollte, um Upuaut ja nicht zu weiteren langatmigen Geschichten anzuspornen.
    »Ja, wie ihr seht, greift der Sand weiter um sich«, sagte der Wolfgott. »Es herrschen schreckliche Verhältnisse, seit Seth von Osiris getötet wurde. Die Zeit des Hochwassers kommt, und der Fluß führt nicht genug Wasser, um über die Ufer zu treten und die Felder zu befruchten. Das Herausgehen kommt, aber in der Jahreszeit ist der Boden nun trocken, und die Samen werden von heißen Winden entblößt. Die Erntezeit kommt, aber die Erde trägt keine Frucht. Wenn dann die Hochwasserzeit wiederkehrt, bleiben Hapis Wasser niedrig und träge. Die Wüste, das rote Land, ist gewachsen. Das schwarze Land ist in Gefahr, und selbst Osiris in seinem großen Haus in Abydos muß sich fürchten.«
    Orlando fragte sich, wer dieser Osiris sein mochte, ob er der menschliche Herr dieses Environments war, vielleicht sogar einer aus der Gralsbruderschaft. »Wenn die Dürre so schlimm ist, warum tut dann der Herr der beiden Länder, oder wie er sonst heißen mag, nichts dagegen?«
    Upuaut blickte sich nervös um, als ob über ihnen am stumpfblauen Himmel Lauscher schweben könnten. Orlando sah nichts weiter als einen Geier, der in der überhitzten Luft auf der anderen Seite des Flusses gemächlich seine Spiralen drehte. »Es heißt, der Fluch des Seth hindere ihn daran. Deshalb habe er die Leiche des Herrn des roten Landes zurückgeholt, damit er Seth drohen könne, sie zu vernichten und damit seinen Ka der endgültigen, ewigen Finsternis zu überliefern.« Upuaut erschauerte, und die große rosa Zunge befeuchtete die schwarzen Lippen. »Aber Seth hat seinen Fluch nicht zurückgezogen, und das ganze Land leidet.«
    Fredericks war wach geworden und setzte sich jetzt auf. Er schaute sich um und zog ein säuerliches Gesicht. »Sand, Sand, Sand. Verblockt ist das. Voll.«
    Orlando schmunzelte. In einem völlig chaotischen Universum konnte man sich wenigstens auf Fredericks’ Miesepetrigkeit verlassen.
    »Ich mein’s ernst, Orlando. Wenn nicht bald was passiert, scän ich noch aus von dieser ewigen Sonne.«
    »Vielleicht«, bemerkte Upuaut, der weder in den Genuß des Sonnenschutzes noch eines Nickerchens gekommen und deshalb womöglich ein wenig empfindlich war, »versucht Re in seiner großen Weisheit mit dir zu sprechen. Du solltest dein Herz öffnen.«
    »Re spricht jetzt zu dir«, gab Fredericks gereizt zurück. »Er sagt dir, du sollst den Mund halten und das Boot führen.«
    Upuaut warf ihm einen unergründlichen Blick zu, aber verstummte.
    Orlando wischte sich den Schweiß von der Stirn und fragte sich, was sein wirklicher Körper wohl mit dieser Simweltinformation anfangen mochte. Hoffentlich denken die Ärzte nicht, ich hob Fieber. Dann pumpen sie mich mit noch mehr Kontrabiotika voll. Aber wahrscheinlich würden mir die zusätzlichen Flüssigkeiten, die sie mir dann verpassen, nicht schaden. Die Vorstellung, daß er tatsächlich einen anderen Körper hatte, war seltsam. Er lebte jetzt schon so lange hier in diesem Thargorsim, daß sein sonstiges Dasein ihm langsam wie eine Fiktion vorkam.
    »Wie wär’s, wenn wir eine Runde schwimmen?« schlug er Fredericks vor. »Das würde uns abkühlen.«
    Upuaut sah ihn an, als wäre er völlig verrückt geworden. »Aber das Lieblingsfutter der Nilkrokodile ist Götterfleisch.«
    »Aha«, sagte Orlando. »Dann schwimmen wir vielleicht lieber doch nicht.«
     
    In der Dunkelheit der Nacht war ihm zunächst nicht klar, wo er war, nicht einmal so recht, was er war. In der Schwärze zeichnete sich vage ein Bild uralten Verfalls ab, mächtige Säulen, die in den Sand gestürzt waren, gewaltige Granitquader, die wie Würfel verstreut in der Gegend lagen. Die Sterne am nächtlichen Himmel waren unnatürlich hell und verliehen den obenliegenden Flächen der Steine einen silbernen Glanz.
    »… Ich probier’s ständig weiter«, sagte eine Stimme. »Kannst du mich nicht hören? Sag doch, daß du mich hören kannst.« Die Töne waren vertraut, und

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