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Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Titel: Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Kontrolle über den Prozeß so weitgehend überlassen haben.«
    »Es war seine Idee, Daniel«, sagte Wells milde. »Wir mußten ihn die Spielregeln bestimmen lassen, wenigstens einige.«
    »Wie auch immer, ich würde ihn liebend gern umbringen. Wie sagen die Kids heute? Ich könnt ihn dicke exen.«
    »Ich glaube, es heißt ›thik-he‹. Das ist Hindi.« Wells verzog seine Lippen zu einem Lächeln, ohne daß sich der Ausdruck seiner ruhigen, gelblichen Augen veränderte. »Du bist wirklich blutrünstig, Daniel. Es ist kein Zufall, daß du beim Militär gelandet bist, was?«
    »Was soll das nun schon wieder heißen?« Yacoubian setzte sich und klopfte gereizt auf seine Tasche, merkte dann aber, daß er immer noch eine unangezündete Zigarre in der Hand hielt. Er ignorierte die Streichhölzer, die Wells auf dem Tisch erscheinen ließ.
    »Nichts weiter, Daniel. Laß uns nicht streiten – wir haben noch eine Menge Klärungsarbeit vor uns, wenn wir uns auf Jongleurs Vorschlag einlassen wollen.«
    »Was sollen wir tun?«
    Wells nickte. »Um nochmal die jungen Leute von heute zu zitieren: ›Süß sabbeln, satt troublen.‹ Wir sagen ›Ja, danke‹ zum Alten Mann, aber ich denke, wir halten ein paar eigene Überraschungen auf Lager, für alle Fälle.«
    »Gut.« Yacoubian zog ein großes goldenes Feuerzeug aus der Tasche, drückte die Minisolarflamme und zündete seine Zigarre an. Draußen vor dem imaginären Raum schwoll das Donnern des hungrigen Ozeans an.
     
     
    > In der Warteschlange über dem neuen Flughafen zogen sie anderthalb Stunden lang weite Schlaufen, die sie hinaus über die Tasmanische See und wieder zurück über das Herz der Metropole führten. Abgesehen von den Massen von Flugzeugen, die auf freie Landebahnen warteten, war der Himmel klar. Zu angespannt, um zu lesen, beobachtete Dulcy Anwin, wie die Stadt alle fünfzehn Minuten vorbeirotierte wie ein Display in einem Schaufenster.
    Sie fand, daß Sydneys berühmte Oper, abgebildet auf Millionen von Postkarten und Kalendern, weniger wie die geblähten Schiffssegel aussah, die alle ständig im Mund führten, als wie ein Haufen geviertelter hartgekochter Eier. Die kleinen Tupperboxen, die ihre Mutter ihr immer in die Schule mitgegeben hatte, gefüllt mit Selleriestangen oder Eiern – oder sogar, wenn ihre Mutter sich wahnsinnig mondän vorgekommen war, mit übriggebliebenen Dim Sum –, waren eine der wenigen anheimelnden Erinnerungen, die sie sich aus ihrer Kindheit bewahrt hatte.
    Jedesmal, wenn der Hafen hinter der Tragfläche des Flugzeugs verschwand und der Blickwinkel sich veränderte, nahm die Oper einen Moment lang andere, weniger erinnerungsträchtige Formen an – von Melonenschalenstreifen oder dem vielgliedrigen Chitinkörper eines Krustentiers.
    Wie eine Garnele, dachte sie. Eine Riesengarnele. Ich frag mich, ob diese ganzen Essensassoziationen eine Metapher für Sex sind oder sowas.
    Der Hafen, die Brücken, sie alle waren monatelang ihr Blick aus Dreads virtuellem Büro gewesen. Es war seltsam, sich klarzumachen, daß sie etwas derart Bekanntes in Wirklichkeit zum allererstenmal sah.
    Aber so ist das moderne Leben, nicht wahr? sagte sie sich, als der Kapitän bekanntgab, daß die Landeerlaubnis endlich erteilt war. In unserm Leben haben wir es die meiste Zeit über gar nicht mehr mit realen Dingen zu tun. Wir beschäftigen uns und reden mit Leuten, die wir persönlich gar nicht kennen, tun so, als würden wir uns an Orte begeben, wo wir in Wirklichkeit niemals hinkommen, erörtern Dinge, die bloß Namen sind, als wären sie so real wie Steine oder Tiere oder sonstwas. Informationszeitalter? Blödsinn, es ist das Imaginationszeitalter. Wir leben in unsern Köpfen.
    Nein, entschied sie, als das Flugzeug zum steilen Landeanflug ansetzte, eigentlich leben wir in den Köpfen anderer Leute.
     
    Dread war nicht da, um sie abzuholen, aber das hatte sie auch nicht erwartet. Sie war schließlich eine erwachsene Frau. Er war ihr Boß, nicht ihr Liebhaber, und auch wenn sein Wunsch nach ihrer persönlichen Anwesenheit in ihr gewisse Verdächte nährte – Verdächte und Gefühle, die zu ambivalent waren, um Hoffnungen oder Ängste genannt zu werden –, so hatte sie doch nicht vor, sich in eine peinliche Lage zu bringen, indem sie von irgend etwas anderem ausging als von Business As Usual.
    Außerdem hatte sie das Gefühl, daß ihr unzweifelhaft anstrengender Auftraggeber einer von der Sorte war, die niemanden vom Flughafen abholte.
    Der erst wenige

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