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Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Titel: Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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irritierend.
    »Du bist doch auf einer sicheren Leitung, Daniel, nicht wahr?« fragte Wells.
    »Na klar, Mensch. Ich bin doch kein Idiot. In deiner Mitteilung war von höchster Dringlichkeitsstufe die Rede.«
    »Aha. Gut. Danke, daß du so schnell gekommen bist.« Wells setzte sich und wartete, bis Yacoubian seinem Beispiel gefolgt war. Draußen vor der Panoramaglaswand toste der Pazifik in den engen Felsenbuchten und schleuderte die Gischt in die Höhe wie Konfetti. Der General überlegte kurz, ob das Schauspiel nur Code war oder ob Wells’ Ingenieure es sich leicht gemacht hatten und RL-Bilder des Ozeans benutzten. Er hatte das Gefühl, daß die leichte Art Wells nicht befriedigen würde, und sei es in einem Environment, das so wenige andere Menschen jemals zu Gesicht bekommen würden.
    »Und, was gibt’s? Ich denke, wir haben beide im Moment keine Zeit zu verplempern, jetzt wo der Countdown nur noch zweiundsiebzig Stunden oder so läuft.«
    »Du klingst ein wenig nervös, Daniel.« Wells hatte die entnervende Angewohnheit, sehr, sehr still zu sitzen, im RL ebenso wie in der VR. Es machte Yacoubian ganz kribbelig. Der General zog eine Zigarre aus der Brusttasche, aber zündete sie nicht an.
    »Meine Fresse, hast du mich deshalb an die Strippe geholt? Um drüber zu diskutieren, ob ich nervös bin oder nicht?«
    Wells machte eine beschwichtigende Handbewegung. Unter der nahezu durchsichtigen Haut traten die Knochen hervor. »Nein, natürlich nicht. Selbstverständlich sind wir alle ein wenig … besorgt. Nach den vielen Jahren des Planens und Wartens ist es schwer, jetzt vor dem großen Moment nicht eine gewisse Unsicherheit zu empfinden. Und es ist in der Tat die Zeremonie, über die ich reden wollte.«
    Yacoubian steckte sich die Zigarre in den Mund, dann nahm er sie wieder heraus. »Ja?«
    »Ich hatte gerade einen überaus merkwürdigen Anruf von Jongleur. Ich weiß nicht so recht, was ich davon halten soll. Zum Beispiel war es das erste Mal überhaupt, daß ich mit dem Alten Mann geredet habe und er nicht in seiner Pharaos-Fluch-Maske erschien. Er rief mich an und blieb auf Nur-Ton – leerer Bildschirm. Das Ganze machte einen ziemlich … antiquierten Eindruck.«
    Yacoubian zog ein finsteres Gesicht. »Bist du sicher, daß er es war?«
    »Bitte, Daniel. Frage ich dich vielleicht, ob du sicher bist, daß du das richtige Land bombardierst oder den richtigen Dschungel entlaubst? Es war der Alte Mann.«
    »Und was wollte er? Herrje, Bob, spann mich nicht so lange auf die Folter und komm endlich zur Sache!«
    »Wie alt bist du, Daniel – siebzig oder so? Entzückend, daß du immer noch jung genug bist, um ungeduldig zu sein. Wir werden hinterher, falls alles glatt läuft, lange, sehr lange Zeit haben, um über diese Dinge nachzudenken, aber gar keine Zeit, falls nicht.«
    »Was soll das heißen? Jetzt hast du’s geschafft, mich unruhig zu machen.« Yacoubian stand auf und schritt an den Rand des Raumes. Draußen erstreckte sich der Pazifik auf beiden Seiten so weit, wie er schauen konnte, und schmiegte sich an die zerklüftete Küste, als wären Land und Meer ein unvorstellbar großes zweiteiliges Puzzle.
    »Das soll heißen, daß wir nichts überstürzen dürfen, Daniel. Auf die Art entstehen Fehler.« Wells schob seinen Stuhl ein Stückchen zurück und legte seine Hände auf die Tischkante. »Jongleur will nicht, daß ich zusammen mit allen andern die Zeremonie mitmache. Er will, daß ich mit ihm und Jiun Bhao abwarte, sie nur vortäusche, könnte man wohl sagen.«
    »Himmel, Arsch und Zwirn!« Yacoubian fuhr mit wutverzerrtem Gesicht herum. »Was zum Teufel soll das? Will er uns andere abservieren oder was?«
    Wells zuckte kaum merklich mit den Achseln. »Ich weiß es nicht. Es hätte nicht viel Sinn – für das Gelingen sind wir alle aufeinander angewiesen. Ich hab ihn natürlich gefragt, warum. Er sagt, Jiun Bhao möchte zusehen und als letzter die Zeremonie durchlaufen, und Jongleur meint, ihm das nicht abschlagen zu können. Der Alte Mann sagte, es wäre nicht fair gegen mich als einen der drei Projektleiter, wenn ich nicht das gleiche Privileg erhielte.«
    »Das ist leeres Gewäsch, und das weißt du genau.«
    »Ja, größtenteils ist es das bestimmt. Aber da läuft irgend etwas, das ich nicht zu fassen kriege. Es hätte keinen Zweck, mit Jiun darüber zu reden – genausogut kannst du versuchen, einen Stein zum Steppen zu bringen. Ich denke mir, daß sie nervös sind. Sie wollen Zeit gewinnen, weil sie

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