Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas
Bruderschaftsmitgliedern, die Wells kontaktiert hatte, der einzige, der seine brutale Ehrlichkeit teilte. Sein Sim stellte ihn genauso dar, wie er war, mit Schläuchen behängt und vor lauter Pharmapflastern kaum noch zu erkennen – ein Mann, der in einer Privatklinik in Buenos Aires mit dem Tode rang. »Wir haben zu hart gearbeitet, um noch verlieren zu können. Señor Jongleur hat ein Wunder geschaffen. Mit deiner Hilfe natürlich, Señor Wells.«
»Danke, Ricardo. Sehr freundlich. Das heißt … es ist alles bereit?« Unausgesprochen blieb dabei die bekannte Tatsache, daß Klement mehr als alle anderen diesen lange hinausgeschobenen Moment dringend herbeisehnte. Der Schwarzmarkthändler hatte jede Chance einer längerfristigen physischen Konservierung, und sei es nach der makabren Jongleurschen Methode, geopfert und alles auf eine Reihe aggressiver Therapien gesetzt, die seine mannigfachen Karzinome so lange vom Hirnstamm fernhalten sollten, bis er sich dem Gralsprozeß unterziehen konnte.
»O ja. Mit Señor Jongleurs Erlaubnis habe ich ein wunderschönes Ambiente geschaffen – du erinnerst dich vielleicht, daß ich bei unserem Treffen davon berichtet habe. Zum ewigen Gedenken an diesen großen Tag. Wir werden die angemessene Umgebung haben, um Götter zu werden!«
»Ah, richtig.« Wells hatte offensichtlich auf der Sitzung nicht sonderlich aufgepaßt, und er hatte auch keine Lust, lang und breit über Dinge zu reden, die letzten Ende nichts weiter als Partydekorationen waren. »Ich bin sicher, es wird großartig werden, Ricardo. Und sonst nichts Neues vom Alten … von Jongleur?« Wells behielt den lockeren Plauderton bei. »Ich hatte die letzten Tage keine Gelegenheit, mit ihm zu reden, bei den vielen Dingen, die es vorher noch zu regeln gibt.«
Klement schüttelte den Kopf. Wenn er irgend etwas verheimlichte, dann tat er das sehr geschickt. »Nur die Einladung. Ich bin sicher, daß er ebenfalls an vieles zu denken hat. Señor Jongleur ist ein Mann mit sehr vielen Pflichten, vielen subtilen Gedanken.«
»Das ist er gewiß. Na schön, dann sehen wir uns bei der Zeremonie, Ricardo. Vaya con Dios.«
»Danke … Robert. Nett, daß du angerufen hast.« Mit einem fröhlichen Nicken klickte Klement aus.
Wells lachte. »Hast du das gehört, Daniel? ›Nett, daß du angerufen hast.‹ Und das von einem emporgekommenen Leichenfledderer. Oh, wir sind eine vornehme und ehrenwerte Gesellschaft, was?«
»Falls einer von denen was wußte, ist es mir jedenfalls nicht aufgefallen.«
»Mir auch nicht.« Wells runzelte ein wenig die Stirn. »Was letztlich nichts beweist. Aber ich glaube, wir haben keine große Wahl – wir müssen zum Angebot des Alten Mannes ja sagen, auch wenn wir nicht genau wissen, worauf es hinausläuft.«
»Verdammt nochmal, Bob, wird die Sache hinhauen?« Yacoubians Sim behielt seinen üblichen sonnengebräunten Teint, aber die Stimme klang sehr danach, daß er blaß geworden war.
»Beruhige dich, Daniel. Wir haben jeden Test gemacht, den du dir vorstellen kannst – ganz zu schweigen von dem Gefangenen des Alten Mannes, dem Typ, der uns durch die Lappen gegangen ist. Der hat den Prozeß durchlaufen, und soweit wir wissen, geht es ihm gut. Ein bißchen zu gut, ehrlich gesagt.«
»Apropos Mister X, oder wie du ihn sonst nennst – was ist eigentlich mit deinem Agenten passiert, der ihn aufspüren sollte? Du hast gesagt, du hättest Probleme damit.«
Wells schüttelte den Kopf. »Ich will dich nicht belügen, Daniel. Das Ganze ist mir ein Rätsel. Wir bekommen keinerlei brauchbare Rückmeldungen von Nemesis. Meine Jungs und Mädels vom J-Team sagen, das Gear habe sich ›integriert‹. Wir gehen dem weiter nach, aber für die Zeremonie hat das überhaupt nichts zu besagen. Anders als das Gralsprojekt haben wir, fürchte ich, die Sache mit dem Nemesiscode ein wenig überstürzt, und jetzt müssen wir dafür bezahlen.«
»Anders als das Gralsprojekt.«
»Sag das nicht so. Es wird funktionieren. Der Gral ist etwas, womit wir seit langem arbeiten, und er hat, wie gesagt, Tausende von Tests bravourös bestanden. Das sind Maschinen, Daniel, kompliziert, aber dennoch nur Maschinen. Wir haben dem System seit der Einspeisung und Flucht von Mister X keine neuen Funktionen mehr hinzugefügt. Es läuft. Es wird bei uns einwandfrei laufen.«
»Aber jetzt treibt der Alte Mann mal wieder irgendein hinterfotziges Spiel. Mann, ich hasse dieses alte Schwein. Ich kann’s nicht fassen, daß wir ihm die
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