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Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Titel: Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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als ob er direkt neben ihr stände. »Dulcy? Komm rein.« Das Tor schnappte auf. Sie winkte dem Taxifahrer zum Abschied, und dieser grinste und blies ihr noch einen Kuß zu, bevor sie sich umdrehte und die feuchten Betonstufen hinaufstieg. Die Tür oben ging ohne sichtbare äußere Einwirkung auf, unheimlich wie der Anfang eines Horrorstreifens.
    Sie zögerte auf der Türstufe. Vielleicht hätte ich mich doch lieber an den Typ im Taxi halten sollen …
    Der Hauptraum war erstaunlich groß, eine Fläche, die früher für mehrere winzige Apartments oder einen kleinen Betrieb ausgereicht haben könnte, und fast vollkommen leer. Er war einheitlich weiß gestrichen und mit einem neuen weißen Teppichboden ausgelegt. Die hohen Fenster waren mit lichtundurchlässigen Vorhängen verdunkelt, die ihrerseits mit weißen Bettlaken verhängt waren.
    Dread stand an der hinteren Wand und nahm gerade etwas in Augenschein, das wie ein mobiles Exekutionsgerät aussah. Ein ähnliches Befremden wie vorher bei der berühmten Oper, nur viel verstörender, beschlich Dulcy, als sie sich klarmachte, daß sie ein dermaßen bekanntes Gesicht zum erstenmal wirklich sah. Er hatte sich nicht verfälschend dargestellt. Er war nicht größer als sie und ganz in Schwarz gekleidet.
    Dread kam auf sie zu und hielt ihr die Hand hin, die sie nach einem kurzen Moment der Verwirrung ergriff. Ein knapper, fester Händedruck, dann ließ er sie wieder los. »Schön, daß du da bist. Ich hoffe, du hattest einen guten Flug. Warst du das, die vor ein paar Minuten angerufen hat?«
    »J-ja, wahrscheinlich. Ich wollte mich vergewissern, daß du hier bist, bevor …«
    »Entschuldige, daß ich nicht drangegangen bin. Ich war gerade damit beschäftigt, aus diesem blöden Bett schlau zu werden.«
    »Bett?«
    »Bett. Ein Komabett. Damit kann ich lange Zeit online bleiben, ohne mich wundzuliegen und Krämpfe zu kriegen und was weiß ich noch alles. Viele kleine Mikrofaserschlaufen, reichlich Sauerstoff und Hautmassage.« Ein kurzes Lächeln ließ seine strahlend weißen großen Zähne aufblitzen. »Komm, hilf mir mal kurz damit, dann gehen wir einen Happs essen.«
    Er drehte sich um und schritt durch den kahlen Raum zurück. Dulcy hatte Mühe, ihre Eindrücke zu sortieren. Er strahlt wie ein Honigkuchenpferd. Ob er auf irgendwas drauf ist? Aber er scheint guter Laune zu sein – wenigstens etwas. Sie setzte sich zögernd in Bewegung, fühlte ein inneres Widerstreben. Ein Teil von ihr, merkte sie, war von der flüchtigen Begrüßung verletzt. Business As Usual ermahnte sie sich. Business.
     
    »Ein schönes Stück, dieses Bett«, sagte er. »Erste Sahne, findest du nicht? Wie ein Rolls Royce Silver Shadow oder eine Trohner-Maschinenpistole.«
    »Heißt das, du planst, viel Zeit online zu verbringen? Im Otherlandnetzwerk?« Sie lächelte den wartenden Kellner automatisch an, aber eigentlich fühlte sie sich nervös und gereizt.
    »Wir sind noch nicht soweit«, teilte Dread dem jungen Mann mit kalter Stimme mit. »Schwirr erst nochmal ab. Nein, bring uns Kaffee.« Er wandte sich wieder Dulcy zu, und sein träges Lächeln kehrte zurück, aber seine dunklen Augen blickten beängstigend eindringlich. »O ja, ich plane so manches. Ich hab grade ein paar interessante Sachen rausgefunden, sehr interessante Sachen. Ich bin nämlich gestern rausgeflogen. Aus dem Netzwerk. Dann hab ich deine Kopie genommen«, er senkte seine Stimme ein wenig, »von dem Gerät, und hab damit versucht, wieder reinzukommen. Aber ich bin auf ein Hindernis gestoßen. Wußtest du, daß das Betriebssystem eine Art KI ist? Dieses Ding, über das sie am Anfang alle gejammert haben, als sie in Atascos Simwelt waren?«
    »Langsam. Ich komm da nicht ganz mit.« Dulcy spürte allmählich den Jetlag. Seit ihrer Ankunft hatte er ohne Punkt und Komma geredet, aber seine Offenheit war durchaus nicht schmeichelhaft, im Gegenteil – sie hatte das sichere Gefühl, daß er bei jeder anderen halbwegs qualifizierten, halbwegs interessierten, halbwegs vertrauenswürdigen Person das gleiche getan hätte. »Ich glaube nicht, daß das Betriebssystem eine künstliche Intelligenz ist«, erklärte sie, »nicht im üblichen Sinne. Es ist irgendein verrücktes neuronales Netz – oder mehrere verteilte Netze. Ich bin überhaupt nicht in die Architektur reingekommen. Aber kein Mensch arbeitet heute noch mit KIs, sie sind schwerfällig und unzuverlässig. Die würden bestimmt keine nehmen, um sowas Komplexes zu betreiben.«
    Er

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