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Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Titel: Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Jahre zuvor eröffnete neue Sydney Airport, fünfundzwanzig Kilometer vor der Küste auf ein künstliches Atoll gepflanzt, war mit dem Festland durch einen langen, geraden Straßendamm auf hohen Fibramicsäulen von hundert Meter Durchmesser verbunden, die tief in den Ozeanboden getrieben und mit druckverteilenden Schichten durchpuffert waren, damit seismische Erschütterungen möglichst wenig Schaden anrichteten. Der Damm selbst war mit seinen Hotels, Geschäften, Restaurants und sogar einigen Wohnblocks so etwas wie ein eigener ausgelagerter Stadtteil geworden. Während Dulcy in der Hochgeschwindigkeitsbahn saß und die Türen an jeder Station – Whitlam Estates, ANZAC Plaza, Pacific Leisure Square – aufzischen sah, fragte sie sich angesichts der Begeisterung, mit der viele Unternehmen in diese schicken neuen Dammimmobilien investierten, ob die nächste Stadt, die einen Flughafen vor der Küste baute, nicht den Abstand und damit die kommerzielle Ausnutzung verdoppeln könnte. Wenn dann alle großen Städte am Pazifik immer weiter auf den Ozean hinausstießen, kam vielleicht irgendwann der Tag, an dem sie alle in der Mitte zusammentrafen, und jemand mit genug Zeit und einer hohen Unempfindlichkeit gegen Einkaufsennui wäre dann imstande, den Pazifik von einem Shopping-Atoll zum nächsten zu Fuß zu überqueren.
    Was eine amüsante Vorstellung hätte sein sollen, gemütlich von Laden zu Laden und Hotel zu Hotel bummeln, während Haie und andere Tiefseeungeheuer unsichtbar unter einem schwammen, fühlte sich statt dessen prekär und beunruhigend an. So also geht’s einem, wenn man richtig wo hinfährt, dachte sie. Vielleicht hat die VR doch ihr Gutes …
    Auf dem Festland angekommen raste die Bahn weiter bis zum alten Flughafenkomplex an der Botany Bay, der jetzt dem neuen Airport als Zubringerbahnhof diente. Dulcy verbrachte eine weitere Viertelstunde in der Taxischlange, aber schließlich saß sie auf dem Rücksitz eines altmodischen Taxis mit Rädern, unterwegs Richtung Norden. Der Fahrer, ein verquasselter junger Mann von den Salomoninseln, fragte sie fast sofort, ob sie mit ihm essen gehen wolle.
    »Ich muß mehr über Amerika erfahren«, erklärte er. »Ich könnte dein spezieller Freund in Sydney sein. Du brauchst irgendwas, du mußt irgendwo hin? Ich fahr dich.«
    »Du fährst mich bereits«, erinnerte sie ihn. »Und ich muß nach Redfern, wie schon gesagt. Das ist alles, was ich brauche, vielen Dank.«
    Er wirkte nicht übermäßig enttäuscht und erbot sich sogar, anzuhalten und ihr im Centennial Park ein Eis zu spendieren. »Ich lad dich gern ein«, sagte er. »Und ich erwarte auch keinen Sex als Gegenleistung.«
    Wider Willen amüsiert von diesem komplett verrückten jungen Mann lehnte sie dennoch auch dieses Angebot dankend ab.
    Die Auskünfte, die sie bei verschiedenen Reiseknoten eingeholt hatte, hatten Redfern als einen aufstrebenden Stadtteil dargestellt, deshalb war Dulcy beim ersten Blick darauf überrascht und ein wenig enttäuscht; wenn das hier aufstrebend war, mußte es verdammt weit unten angefangen haben. Es waren viele Aborigines auf den Straßen, aber wenige hatten den heiteren Blick der Tänzer, Schauspieler und kleinen Ladenbesitzer in der virtuellen Werbewelt der Knoten. Der Stadtteil war nicht zu knapp mit Restaurants und Kneipen bestückt, aber um diese Tageszeit waren die meisten noch geschlossen. Dulcy sagte sich, daß er am Abend, wenn überall Lichter funkelten und Musik ertönte, vielleicht ein ganz anderes Bild bot.
    »Oh, es ist schon viel besser geworden«, erzählte ihr der Fahrer. »Früher war’s ganz schlimm. Mein Cousin hat hier mal gewohnt, der wurde dreimal ausgeraubt. Dabei hatte er gar nichts, was sich zu stehlen lohnte!«
    Die Adresse stellte sich als ein kahles, fahrstuhlloses Mietshaus in einer Einkaufsstraße mit überwiegend geschlossenen Läden heraus, die zwar nicht so heruntergekommen war wie so manche andere, aber gänzlich ohne Fußgänger auf den Bürgersteigen. Die Vorstellung, hier allein auf der Straße zu stehen, begeisterte sie nicht, aber Dread ging nicht dran, als sie mit dem Pad seine Nummer anrief, und nachdem sie sich noch einmal vergewissert hatte, daß die Adresse stimmte, bezahlte sie das Taxi und bat den Fahrer, ein paar Minuten zu warten, auf die Gefahr hin, daß diese Vorsichtsmaßnahme falsch verstanden wurde und zu weiteren Annäherungsversuchen führte.
    Dreads Stimme schallte überraschend deutlich aus dem Lautsprecher am Eingangstor,

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