Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Titel: Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
Vom Netzwerk:
legten.«
    »Ich bin müde«, gab Orlando zu. »Ich bin nicht … Ich bin ziemlich krank. Im realen Leben.«
    Fredericks sah ihn besorgt an. Orlando versuchte zu lächeln.
    »Ich komm einfach nicht drüber weg«, meinte Jonas. »Nach so langer Zeit. Wahnsinn, was euch alles passiert ist – die Insekten, die Comicfiguren.« Er lachte ein wenig befangen. »Wobei mir ja auch ein paar ziemlich verrückte Sachen passiert sind, würde ich sagen.«
    Selbst in seinem völlig zerschlagenen Zustand konnte Orlando nicht anders, als Mitleid mit dem Mann zu empfinden. »Ich könnte das nicht, was du getan hast«, sagte er. »So eisern durchzuhalten, ohne zu wissen, warum.«
    »Doch, du könntest es«, erwiderte Jonas. »Was bleibt einem denn anderes übrig? Aber das Warum wissen wir im Grunde immer noch nicht, stimmt’s? Warum das alles? Ich werde nicht damit fertig, daß ihr der Vogelfrau auch begegnet seid.«
    Orlando fand, daß er sich beinahe ein wenig enttäuscht anhörte. »Aber wir kennen sie nicht, anders als du. Sie hat bloß … ich weiß nicht, Anteil an uns genommen oder so.«
    Jonas zupfte an seinem Bart und überlegte. »Es gibt so viel, was noch ungeklärt ist. Wer ist sie, und warum zieht sie von einer Simulation zur andern wie … wie ein Engel? Und die Zwillinge …«
    »Die sind das Scännigste überhaupt«, meinte Fredericks. »Sowas von grauenhaft, und dabei sind wir ihnen nur einmal begegnet. Ich kann mir voll nicht vorstellen, wie es sein muß, wenn sie ständig hinter einem her sind.«
    »Schlimm, das kann ich dir sagen«, entgegnete Jonas düster.
    »Sellars hat uns erzählt, daß du ein Gefangener der Bruderschaft warst.« Orlando hatte Mühe, die Augen offenzuhalten, aber es gab soviel zu besprechen, daß er nicht schlafen wollte, und wenn er noch so krank war. »Daß du irgendwie eine Bedrohung für sie darstellen mußt. Deshalb sollten wir dich suchen.«
    »Tja, ich wünschte, euer mysteriöser Herr Sellars hätte euch gesagt, warum ich angeblich eine Bedrohung darstelle. Zum einen komme ich mir nicht sehr bedrohlich vor, zum andern würde das vielleicht das riesige Loch in meinem Gedächtnis ein bißchen stopfen. Herrje, als du vorhin meinen Namen gesagt hast, da … da dachte ich, jetzt bekomme ich meine ganzen Erinnerungen zurück. Begreife endlich, warum das alles geschieht.« Sein Gesicht straffte sich. »Aber genug davon. Gerade eben habe ich die geheimnisvolle Frau einen Engel genannt. Ich habe über sie und diese ganzen Rätsel nachgedacht, als ich hier in diese Welt kam und feststellte, daß es mehr als eine Version von ihr am selben Ort geben kann – was auch für diese andern Leute gilt, von denen ich euch erzählt habe, die Pankies, die genau wie die Zwillinge wirkten, aber die nicht die Zwillinge waren.«
    »Mann, diese Pankies hören sich an wie meine Tante und mein Onkel aus Minnesota«, meinte Fredericks. »Die haben mir noch Puppen geschenkt, als ich vierzehn wurde. Igitt!«
    »Es kommt mir so vor, als ob es vier verschiedene Kategorien von Leuten hier in diesem Netzwerk gäbe«, fuhr Paul fort, ohne auf Fredericks’ eingeworfene Familienanekdote einzugehen. »Replikanten natürlich – Figuren, die reiner Code sind, Teile der Simulationen – und Leute wie wir. Oder wie die Gralsbruderschaft, versteht sich. Reale Personen, Bürger nennt man sie, glaube ich.« Er stutzte, als er draußen Geräusche hörte, Schritte und Gesprächsfetzen der eben erwachten Myrmidonen, die Holz für ein Morgenfeuer herbeiholten. »Liebe Güte«, sagte Jonas, »es ist schon fast Tag. Aber laßt mich noch diesen Gedanken zu Ende bringen. Außer Replikanten und Bürgern gibt es, glaube ich, in diesem Otherlandnetzwerk noch zwei andere Gruppen, die ich Engel und Waisen nenne. Die Engel sind wie die Version der Vogelfrau, die mir im Traum und hier in der Odysseewelt erschien und die für euch in Ägypten eine Göttin war – sie können sich von Simulation zu Simulation bewegen und bewahren sich dabei stets einen Teil ihrer Identität. Möglicherweise gehören die Zwillinge auch zu dieser Kategorie, es sei denn, sie sind letztlich nichts weiter als zwei brutale sadistische Schweine im Dienst der Bruderschaft. Ich weiß nicht, was schlimmer wäre.« Er verzog das Gesicht zu einem freudlosen Grinsen. »Was die Waisen betrifft … ich denke, sie sind wie der Junge, mit dem ich zusammen war, Gally, und wie die Version der Vogelfrau, die mir in der Marswelt begegnet ist, und wie meine Frau … das heißt die

Weitere Kostenlose Bücher