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Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Titel: Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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wir. Sei so gut und setz deinen Hocker ein bißchen zurück, damit wir ein bißchen Abstand voneinander haben.«
    Der Fremde nickte langsam und stellte dann den Hocker in die Mitte zwischen Bett und Tür. Als er wieder saß, hatte er ein schiefes Lächeln im Gesicht. »Wir haben ein kleines logisches Problem, was? Jeder von uns weiß Sachen, die er nicht sagen kann, weil er nicht genau weiß, mit wem er redet.« Er biß sich nachdenklich auf die Lippe. »Wie wär’s, wenn wir möglichst allgemein angefangen? Wir unterhalten uns darüber, was wir wissen, aber vermeiden Aussagen, die uns als dies oder jenes entlarven würden.«
    Fredericks blickte skeptisch, aber Orlando fand an dem Vorschlag nichts auszusetzen. »Okay.«
    »Ich möchte nicht hyperkritisch erscheinen«, sagte Odysseus, »aber es war nicht schwer zu vermuten, daß ihr nicht in die Simulation gehört. Ihr redet einfach nicht so wie die andern. Zum einen benutzt ihr zu viele Verschleifungen – was nicht zu dem altmodischen Operneffekt paßt, auf den hin das Ganze programmiert ist.«
    »Ich bin besser, wenn ich nicht so müde bin«, sagte Orlando ein wenig verlegen. »Meistens ist es …« Um ein Haar hätte er Fredericks’ Namen genannt – hatte der Fremde ihn dazu verleiten wollen? »Meistens ist es Patroklos hier, dem es langweilig wird, so schwülstig zu reden, und der dann anfängt … Sachen zu sagen. Wie er sie normalerweise sagen würde.«
    »Vielen Dank.« Fredericks funkelte ihn wütend an.
    »Wir wissen alle, daß es eine Simulation ist«, sagte Odysseus. »Wir wissen, daß sie Teil eines großen Simulationsnetzwerks ist, stimmt’s?«
    Orlando nickte. »Klar. Das kann jeder wissen.«
    Der Fremde setzte an, etwas zu sagen, aber bremste sich. »Gut, dann sind wir uns in dem Punkt einig«, erklärte er nach kurzem Zögern. »Die meisten Leute hier sind Replikanten, aber einige kommen von außen. Aus der wirklichen Welt. Wie wir drei.«
    »Soweit okay.«
    »Und wenn ich nun eine bestimmte … Bruderschaft erwähnte?« fuhr Odysseus fort.
    Fredericks warf ihm einen besorgten Blick zu, doch Orlando war klar, daß die Richtung nahelag und sich eigentlich kaum vermeiden ließ. »Die Gralsbruderschaft, stimmt’s?«
    »Stimmt.«
    Aber keine Seite wollte sich genauer über die Bruderschaft äußern: Zustimmung oder Ablehnung zu verraten konnte das wacklige Vertrauensgerüst, das sie bauten, sofort zum Einsturz bringen.
    Es ging quälend langsam voran. Fast eine Stunde lang rangen sie sich minutenlang überlegte Bemerkungen über den Charakter des Netzwerks ab, ständig behindert von der Notwendigkeit, alles im Vagen und Allgemeinen zu lassen. Das Feuer brannte herunter, bis der Raum fast ganz im Schatten lag. Draußen rief jemand bei der Wachablösung die Mitternachtsstunde aus.
    Zuletzt meinte Orlando, nicht länger warten zu können – wenn sich nichts tat, konnte dieses Taktieren noch tagelang so weitergehen, und ihm war seit langem klar, daß die Zeit nicht für ihn arbeitete. »Dann erzähl uns halt was von dieser goldenen Harfe«, sagte er. »Ganz am Anfang hast du behauptet, sie hätte zu dir gesprochen. Was hat’s damit auf sich? Wieviel kannst du uns sagen?«
    Odysseus strich sich durch seinen Bart. »Tja, ohne zuviel preiszugeben … es war eine Botschaft, die mir jemand geschickt hat. Sie sagte mir …« Er hielt inne und dachte nach. »Sie sagte mir, irgendwelche Leute würden nach mir suchen. Und sie würden mich erkennen, wenn ich ihnen sagte, daß ich mit der goldenen Harfe gesprochen hätte.« Er zog eine Braue hoch. »Aber du hast gesagt, du hättest nie davon gehört.«
    »Richtig«, sagte Orlando. »Aber mir kommt da, glaub ich, eine Idee.« Er zögerte – es war, als faßte man in ein dunkles Loch im Boden, eine Grube, die einen Schatz oder einen scheußlichen, giftigen Wächter bergen konnte. »War diese Harfe … vorher etwas anderes?«
    »Etwas anderes?« Odysseus saß auf einmal sehr still. »Was meinst du damit?«
    »Du hast schon verstanden.« Die Spannung machte Orlando langsam schwindlig; ihm war, als müßte er gleich loslachen oder schreien. »Du hast mit dieser dämlichen Harfe angefangen, also erzähl schon.«
    Der Fremde schien versteinert zu sein. »Nein«, sagte er schließlich. »Aber … hinterher war sie etwas anderes, keine Harfe mehr.«
    »Hinterher?« Das brachte Orlando aus dem Konzept – er hatte an das Bild der goldenen Stadt gedacht, das Renie und den anderen zuerst als ein kleines goldenes Juwel

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