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Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Titel: Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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imaginär, wenn die Trojaner die Schiffe verbrennen und das Lager niedermachen würden«, gab !Xabbu zu bedenken.
    Die Trojaner, die gerade noch den endgültigen Sieg nahe gewähnt hatten, flohen jetzt in einem heillosen Durcheinander zum Tor zurück. Hektor und seine Männer waren vom Rest der angreifenden Streitmacht abgeschnitten; umzingelt und in Gefahr, überwunden zu werden, trat Priamos’ großer Sohn den grimmigen, blutigen Rückzug von den Schiffen zur Hauptmasse seines Heeres an.
    »Und sieh nur, sie weichen zurück«, fügte !Xabbu hinzu. »Orlando hat getan, was nötig war.«
    »Op an«, sagte T4b beeindruckt.
    »Mehr, als was nötig war.« Auf den Zehenspitzen stehend versuchte Jonas zu erkennen, was in dem Gewühl der Leiber in der Mitte des Lagers vor sich ging. »Der junge Knallkopf hat die Trojaner in die Flucht geschlagen, aber jetzt rasen er und seine Männer zum Tor hinaus. Gott, wenn er uns doch bloß hören könnte!«
    !Xabbu kletterte auf das am nächsten liegende Schiff, das jetzt so gut wie leer war, da der Kampf sich ganz nach vorn an die Mauer verlagert hatte, wo die Trojaner sich alle Mühe gaben, Ordnung in ihre Reihen zu bringen. Renie und die anderen folgten ihm und eilten über das ansteigende Deck vor zum Bug. »Was macht er?« fragte Renie. »Wo ist er?« Ein Teil der Heere hatte sich bereits durch das Tor auf die Ebene ergossen, und diesmal trieben die Griechen die Trojaner vor sich her, die sich ein verzweifeltes Rückzugsgefecht lieferten.
    »Orlando fährt hinter einigen der trojanischen Kampfkutschen her. Nein, Streitwagen muß es heißen, nicht wahr?« !Xabbu schüttelte den Kopf. »Es ist schwer zu erkennen, aber ich glaube, der dort drüben ist Hektor. Er hat sich nach draußen durchgeschlagen und besteigt jetzt ebenfalls seinen Streitwagen.«
    Renie sah zu, wie die restlichen Krieger zum Tor hinaus auf die Ebene quollen, wie Sand durch den Hals eines Stundenglases rinnt. »Wir müssen hinter ihm her«, verkündete sie. »Hinter Orlando, meine ich. Wir können ihn nicht da draußen allein lassen – Hektor wird ihn in Stücke hauen, wenn er ihn erwischt.«
    »Da raus?« fragte T4b entsetzt. »Ohne Panzer?«
    »Wir finden unterwegs einen für dich«, sagte Jonas. »Da liegen reichlich Männer rum, die ihren nicht mehr brauchen.«
    »Wir müssen hinterher«, wiederholte Renie. »Jetzt, wo wir uns alle gefunden haben, müssen wir zusammenbleiben.« Sie tappte wieder das Deck hinunter. »Wenn wir Glück haben, holen wir ihn noch ein; dann ziehen wir ihn aus dem Kampf raus und eilen schleunigst weiter.«
    »Weiter? Wohin denn?« fragte Jonas, während er neben sie auf den Sand sprang.
    »Nach Troja?« Renie zuckte mit den Achseln. »Wenn wir es schaffen, nicht umgebracht zu werden, bevor wir Orlando erreichen, können wir uns dann Gedanken darüber machen.« Sie grinste ihn schief an. »Herzlich willkommen in unserm Chaosladen.«
    !Xabbu schwang sich vom Bug und lief auf dem Weg durch das Lager voraus. Die Sonne hatte gerade eben den Zenit erreicht, aber war bereits hinter den Rauchschwaden von den brennenden Schiffen verschwunden, so daß ein vorzeitiges Dämmerlicht über dem Schlachtfeld lag. Während sie über die im ganzen Lager verstreuten Leichen traten und sich bei der Suche nach einem neuen Panzer für T4b blutige Hände holten, fing die kleine Stimme in Renies Hinterkopf wieder zu singen an und sagte ihr unablässig vor, was der Krieg in Wahrheit war.
     
     
    > Orlando erwachte aus einem seltenen traumlosen Schlaf in einer Wirklichkeit, die ihm leicht verändert vorkam.
    Er fühlte die grobe Decke unter sich, die Blätter und Zweige, die ihn in den Rücken pieksten wie kleine, spitze Finger. Er roch den beißenden Rauch eines Feuers, so als ob es in dem Kohlenbecken in der Ecke vor sich hinschwelte. Er hörte die Stimmen von Männern, aber sie waren weit entfernt, murmelten wie das Meer. Nichts von alledem war neu.
    Nein, ich fühle mich … kräftiger. Er setzte sich auf, und obwohl ihm dabei leicht mulmig wurde, verflog das Schwindelgefühl rasch. Im Grunde fühle ich mich ziemlich gut.
    Die letzte Krankheitswelle, in der er nach der Flucht aus dem Tempel des Re beinahe ertrunken wäre, schien wieder verebbt zu sein. Er war zwar keineswegs vollständig wiederhergestellt – die Welt um ihn herum kam ihm geradezu durchsichtig vor, und er fühlte sich zerbrechlich, als ob sein Körper aus biegsamem Glas bestände –, aber es ging ihm dennoch besser als die ganzen Tage

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