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Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Titel: Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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bedächtig. »Sei es drum. Aber ich muß daran denken, daß auch du dich einst dagegen sträubtest, mit uns zu ziehen, Odysseus. Ich hoffe, du bist an diesem Tag unserer großen Not nicht wieder wankelmütig geworden.«
    Die Tür schloß sich knarrend hinter ihm, aber ein halbes Dutzend Bewaffneter war noch in der Hütte geblieben, dazu der Rest von Agamemnons Haushalt, mehrere Frauen und alte Männer. Das Kampfgetöse draußen war bereits laut, und Renie konnte fast körperlich fühlen, wie der Vorteil, Paul Jonas gefunden zu haben, ihnen wie Wasser zwischen den Fingern zerrann.
    »Wir müssen was tun!« flüsterte sie ihm zu. Er schreckte auf, als ob er geträumt hätte.
    »Ich … Gerade hatte ich was auf der Zunge«, erklärte er ihr leise. »Da war was an dem, was du vorhin gesagt hast, über die Frau. ›Schwester, Tochter‹, hast du gesagt … und mir war, als hätte ich einen Namen gehört.« Seine Augen drifteten wieder ab. »Avis? Könnte es das gewesen sein?«
    »Wir wissen, daß es wichtig ist, Herr Jonas«, sagte !Xabbu fast unhörbar, »aber vielleicht könnten wir zu einem späteren Zeitpunkt darüber reden …«
    »O Schreck, natürlich.« Er drehte sich zu den Wächtern um, die ihren leisen Wortwechsel mißtrauisch beäugt hatten. »Wir müssen diese Leute zu Achilles bringen«, erklärte er ihnen.
    Einer der Wächter, ein glattrasierter Mann mit einer Narbe über seiner gebrochenen Nase, schwang sich zum Sprecher auf. »Der Herrscher der Männer sagte, du solltest sie verhören …«
    »Ja, aber er sagte nicht, daß das hier zu geschehen habe«, versetzte Jonas. »Kommt mit, wenn ihr wollt, aber wir müssen sie zu Achilles bringen. Was sie zu sagen haben, könnte in diesem Krieg die entscheidende Wende bringen.« Sein Gesicht wurde hart. »Woher stammst du?«
    Der Mann blickte verdutzt, als ob Jonas das eigentlich wissen müßte. »Aus Argos, edler Odysseus. Aber …«
    »Möchtest du je wieder in deine Heimat zurückkehren? Du hast doch gesehen, was gestern passiert ist, nicht wahr? Wenn Achilles uns nicht beisteht, wer wird dann die Trojaner aufhalten?« Die Wächter waren immer noch unsicher; Renie sah, daß Jonas sich innerlich einen Ruck gab. »Die Götter wollen es so! Willst du mich einen Lügner nennen? Was meinst du, warum ich den mächtigen Glaukos und diese andern gefangennehmen konnte? Weil die Götter mir einen Traum sandten!«
    Dies erschütterte die Männer sichtlich, und Jonas ließ ihnen keine Zeit zu langwierigen theologischen Grübeleien. Er raffte die zusammengeschnürten Waffen auf und dirigierte Renie, !Xabbu und T4b mit vorgehaltener Lanze zur Tür. Die Wächter tauschten besorgte Blicke aus, aber folgten ihnen dann nach draußen in das lärmende Durcheinander der griechischen Verteidigung.
    Sie hatten sich gerade zehn Schritte von Agamemnons Hütte entfernt, als das mächtige Tor des Schiffslagers aufbrach und derart heftig nach innen schlug, daß zwei Männer allein von der Wucht des Aufpralls getötet wurden. Der große Hektor stand wie ein Turm in der Bresche, den mächtigen Baumstamm noch in den Händen, mit dem er den Riegel aufgesprengt hatte, und die Griechen taumelten voll abergläubischem Entsetzen vor ihm zurück. Stunden vorher erst war der Priamossohn vom Feld getragen worden; jetzt stand er wutschnaubend vor ihnen, von Verletzungen genesen, die jeden normalen Mann umgebracht hätten. Im nächsten Moment kamen seine Trojaner durch das zerschmetterte Tor geströmt wie Flutwasser über einen einstürzenden Deich und metzelten alles nieder, was ihnen im Weg stand. Verzweifelte griechische Verteidiger sprangen von der Mauer, um ihren Vorstoß aufzuhalten, und auch der letzte Rest von Ordnung löste sich in nichts auf. Das Feuer der Schlacht wütete jetzt mitten im griechischen Lager.
    Die Wächter, die Renie und den anderen aus Agamemnons Behausung gefolgt waren, stürzten sich unverzüglich ins Gefecht und ließen die Gefangenen Gefangene sein. »Mist!« schimpfte Jonas. »Die Trojaner sind zwischen uns und Orlando! Da kommen wir nie vorbei, ohne daß uns jemand bemerkt.«
    Ein Trupp kämpfender Männer war bereits aus dem Schlachtgetümmel ausgeschert und bewegte sich geschlossen und wie blindlings in ihre Richtung, als ob der Krieg selbst ein Tentakel nach Renie und ihren Gefährten ausstreckte, um sie in sich hineinzuziehen. Jonas warf ihre zusammengebundenen Waffen hin und zerschnitt mit seinem Schwert die Schnur, doch es war fast zu spät: Ein seinen Kameraden

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