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Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Titel: Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Kilometer weiter zur anderen Seite der Insel und ging dort langsam auf einem großen Kuppelbau nieder, dessen Dach über dem Landeplatz aufging wie die Blende einer Kamera. Paul, dem mehr denn je zumute war, als wäre er in einen Traum geraten, wurde von mehreren auffallend gut bewaffneten und gut gedrillten Männern in militärischen Uniformen in Empfang genommen. Nach einer knappen förmlichen Begrüßung begleitete ihn einer davon auf einer viertelstündigen Busfahrt zu dem schwarzen Wolkenkratzer. Sie passierten Straße um Straße mit niedrigen Gebäuden und gepflegten Parks, eine ganze kleine Stadt, die wie eine Pilzkolonie im Schatten des Turms gewachsen zu sein schien.
    Der bewaffnete Mann lieferte ihn vor den vergoldeten Türen des Turms ab und beobachtete mit professioneller Geduld, wie Paul unter dem mächtigen stilisierten »J« über dem Eingang hindurch in das Foyer trat, einen ungeheuer weitläufigen Raum mit gedämpfter Beleuchtung, angestrahlten Skulpturen, rieselndem Wasser und gut gepolsterten Sitzgruppen. Es kam Paul so vor, als hätte die gesamte britische Armee in diesem Foyer auf einen Termin warten können.
    Abermals fast zwei Stunden vergingen mit einer minuziösen Sicherheitskontrolle – wobei Fingerabdrücke und Netzhautmuster noch das wenigste waren, was sie haben wollten –, ehe er schließlich in einen von mehreren Aufzügen gebeten und lautlos in den einundfünfzigsten Stock hinaufgepustet wurde. Dort erwartete ihn ein Mann namens Finney.
    Das Büro, das fast den halben Umfang des Turmes einnahm, hatte den herrlichsten Ausblick, den Paul je gesehen hatte – ein Panoramafenster auf ganzer Breite –, aber Finney schien nicht der Typ zu sein, der das genossen hätte. Er war vielleicht knapp vierzig, aber geschlechtslos wie ein Eunuche, ein dünner Mann mit langen Chirurgenhänden, kleinen Augen, die von dicken, altmodischen Brillengläsern grotesk vergrößert wurden, und dem Lächeln eines gelangweilten Sadisten.
    »Also dann.« Finney beobachtete, wie Paul es sich in dem zu großen Sessel auf der anderen Seite des Schreibtischs bequem zu machen versuchte. »Nach reiflicher Überlegung haben wir beschlossen, daß die guten, ja wirklich hervorragenden Referenzen, die du vorzuweisen hast, deine nicht eben reiche Erfahrung als Hauslehrer wettmachen. Ich denke, du hast Verständnis für unsere Sicherheitsmaßnahmen – wobei ich natürlich hoffe, daß du dennoch keinen Grund zur Beanstandung hattest, oder?« Sein Lächeln wurde an- und wieder ausgeknipst, ein reines Mittel zum Zweck. »Herr Jongleur ist einer der mächtigsten Männer der Welt, und du wirst mit einer sehr verantwortungsvollen Position betraut. Er legt großen Wert auf eine traditionelle Erziehung – eine ›gute alte britische Privatschulbildung‹, wie er es ausdrückt.«
    Vermutlich ohne die Prügel, das Arschficken und den kalten Fraß, dachte Paul aber sprach es nicht aus – sich gegenüber diesem bleichen, gefühllosen Mann einen Witz zu erlauben, konnte er sich sowenig vorstellen, wie vor seiner Großmutter zu fluchen. Er verlegte sich lieber auf harmlose Höflichkeit. »Ich bin sicher, Herr Jongleur wird mit meiner Arbeit zufrieden sein. Und ich meinerseits freue mich auf die Kinder.«
    Eine dünne Augenbraue kroch ein Stück Finneys Stirn hinauf. »Kinder? Nein, ich fürchte, da schießt du etwas übers Ziel hinaus. Fürs erste gibt es nur ein Kind.« Er beugte sich vor und fixierte Paul durch die flaschenglasdicken Gläser mit einem unangenehm indiskreten Blick, als hätte er ihn unter einem Mikroskop. Paul konnte diesem Blick nicht lange standhalten und schlug schuldbewußt die Augen nieder. »Ich bin sicher, es gibt hier Dinge, die du überraschend finden wirst, Herr Jonas. Wir sind ein Familienunternehmen, und wir haben unsere eigenen Spielregeln. Die letzte Hauslehrerin … nun ja, es war sehr schwierig und unerfreulich mit ihr. Ich glaube sagen zu dürfen, daß sie nie wieder in diesem Beruf tätig sein wird.« Er richtete sich auf. »Aber die Sache beruhte zum großen Teil auf Mißverständnissen, und deshalb möchte ich eines vollkommen klarstellen. Herr Jongleur wird mit allen gebotenen Mitteln dafür sorgen, daß niemand von seinen Angehörigen oder Vertrauten zu Schaden kommt, Herr Jonas. Dazu gehört auch unerwünschtes öffentliches Aufsehen. Wenn du ein loyaler Angestellter bist, wirst du das nach einer Weile zu schätzen wissen, genau wie ich es tue. Aber ich möchte dir nicht raten, jemals auf der

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