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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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recht. Ich sollte mich wohl in Dankbarkeit üben, was?«
    »Laß dir Zeit damit, später wird dir das leichter fallen«, meinte Calliope. »Okay, alles Gute. Ganz ehrlich. Aber ich muß jetzt gehen.«
    Dulcy nickte und griff nach einem Glas Wasser, das auf dem Nachttisch stand. Dann zögerte sie. »Ist er wirklich hinüber?« fragte sie. »Und kommt nicht wieder? Bist du sicher?«
    »So sicher, wie man nur sein kann.« Calliope bemühte sich um einen ruhigen, geschäftsmäßigen Ton. »Es ist seit einer Woche keinerlei Lebenszeichen bei ihm festzustellen, keine Veränderung, nichts, was darauf hindeutet, daß er aufwachen könnte. Und er wird Tag und Nacht bewacht. Selbst wenn er zu sich kommt, wandert er schnurstracks ins Gefängnis.«
    Dulcy entgegnete nichts. Sie nahm das Glas und führte es mit zitternder Hand an den Mund, trank aber nicht.
    »Tut mir leid, aber ich muß jetzt wirklich gehen.« Calliope griff sich ihre Krücken. »Ruf mich an, wenn ich dir irgendwie behilflich sein kann. Dein Visum ist übrigens verlängert worden.«
    »Danke.« Dulcy trank endlich und stellt das Glas wieder ab. »Und danke auch für … für alles andere.«
    »Keine Ursache«, sagte Calliope und humpelte langsam zur Tür.
     
    Der Wachposten erkannte sie, aber dennoch mußte sie ihre Marke vor den Leser halten, ehe er sie einließ. Calliope hieß das gut. Die schwere Tür klackte auf, und sie trat in den Flur mit den großen Scheiben, die nur von einer Seite durchsichtig waren. Der Posten griff hinter sie, um sich zu vergewissern, daß die Tür wieder richtig zu war.
    »Irgendwas Besonderes?« fragte sie.
    »Nö. Nochmal zwei Ärzte heute. Nichts. Reflextests, Pupillenerweiterung, das volle Programm. Reine Formsache, daß er nicht für tot erklärt wird. Sie könnten ihn genausogut beerdigen.«
    Der Gedanke jagte ihr einen abergläubischen Schauder über den Rücken. Dann müßte ich mich mit Silberkugeln und einem angespitzten Pfahl ans Grab stellen. »Er ist schon einmal für tot erklärt worden«, meinte sie zu dem Wächter. »Vorsicht ist besser als Nachsicht.« Sie trat an das Fenster, starrte durch die Maschen des Spanndrahtes. Die in einem Lichtkegel liegende Gestalt war an das schwere Bettgestell geschnallt und mit Schläuchen, Kabeln und Hautsensoren behängt, die weitere Horrorfilmassoziationen auslösten – wie Frankensteins Ungeheuer sich von Stromblitzen umknistert langsam aufrichtete und seine Fesseln sprengte. Dreads Augen waren einen winzigen Spalt weit geöffnet, seine Finger leicht gekrümmt. Sie versuchte sich einzureden, daß sie hie und da ein minimales Zucken wahrnahm, doch die einzige Regung war das langsame Auf und Nieder seiner Brust, verursacht durch die automatischen Pumpsysteme, die Atem und Blut in ihm zirkulieren ließen.
    Er kommt nicht wieder, sagte sie sich. Was es auch war. Charge, irgendein Datenfresser, er ist jetzt irgendwo anders – so gut wie tot, wie der Mann gesagt hat. Auch wenn du den Rest deines Lebens jeden Tag hierherkommst, wirst du keine Veränderung feststellen, Skouros. Er kommt nicht wieder.
    Seltsamerweise verschaffte ihr das keine große Erleichterung, schon gar nicht die Lösung des inneren Drucks, die sie dringend nötig hatte, wie ihr jetzt erst klar wurde. Aber das heißt, daß er entwischt ist, dachte sie und merkte dabei erst, als sie den schmerzhaften Stich in ihren heilenden Rückenmuskeln spürte, wie ihre Finger die Fensterbank umkrallten.
    Er ist billig davongekommen. Nach allem, was er getan hat, ist er uns einfach durch die Lappen gegangen. Er sollte eigentlich in der Hölle braten, und statt dessen verschläft er wahrscheinlich den Rest seines Lebens und tritt irgendwann friedlich ab.
    Sie zog ihre Krücken wieder fest an die Unterarme, warf einen letzten Blick auf das stille, fast ansprechende Gesicht und begab sich langsam zurück zur Sicherheitstür.
    Das Leben geht weiter, sagte sie sich. Manchmal geht’s halt so aus. Das Universum ist kein Kindermärchen, wo am Schluß alle ihren gerechten Lohn bekommen.
    Sie seufzte und hoffte, daß Stan einen Parkplatz in der Nähe gefunden hatte. Ihr taten die Beine weh, und sie brauchte dringend einen Kaffee.
     
     
    > Er wollte schlafen, nichts als schlafen, aber sie ließen ihn nicht. Er hatte seit Tagen nicht geschlafen, vielleicht seit Wochen. Er konnte sich nicht mehr erinnern. Aber nicht genug damit, daß er völlig außer Atem war und ihm die Kehle brannte, roch er auf einmal auch noch Rauch.
    Buschfeuer. Sie

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