Outback: Unter australischer Sonne (German Edition)
senkte sie wieder den Kopf. Tief durchatmend zuckte sie mit den Schultern.
„Reichtum bestand für mich nie darin, viel Geld zu besitzen. Reich ist der, der geliebt wird. Meine Großmutter war der einzige Mensch, der mir nie das Gefühl gegeben hat unerwünscht und überflüssig zu sein. In Brisbane war ich niemals wirklich zu Hause, aber wenn ich die Ferien auf dem Land bei Grandma verbrachte, dann fühlte ich mich lebendig und frei.“ Sie hob das Kinn und sah Ian einen Moment schweigend an, ehe ihr Blick über das Land strich. Ihr Gesicht nahm einen entrückten Ausdruck an. Ihre Gedanken schweiften ab. Es war so deutlich zu sehen, als könne er in ihren Kopf hinein sehen. Sie sah ihn mit entwaffnender Offenheit an. „Ich beneide dich, Ian. An einem solchen Ort groß zu werden ist ein Geschenk. Man spürt die Liebe die zwischen deiner Mutter und dir ist. Ich bin überzeugt, auch deine Tochter weiß zu schätzen, wie gut es ihr hier geht. Kein Luxus, kein Geld dieser Welt kann einem das geben, was eine richtige Familie bedeutet. Nichts ist so schön wie selbstgebackene Kekse, gemeinsame Abend und sogar Streitereien. Das und die Freude an einem Ort zu leben, dem man sich verbunden fühlt, weil er einem das Gefühl von Zuhause vermittelt.“
„Was ist mit deinem Vater?“, fragte er leise. Faith verzog die Lippen zu einem entschuldigenden Lächeln und zuckte mit den Schultern.
„Ich kenne ihn gar nicht wirklich. Er ist mit seiner Firma verheiratet“, erwiderte sie leise. „Ich kann mich nicht erinnern, dass es je anders war. Ich glaube, Familie hat ihn nie interessiert. Er ließ mich tun und machen was ich wollte und sorgte dafür, dass ich finanziell abgesichert war. Das war leider alles. Meine Mutter war die perfekte Ehefrau an seiner Seite. Ich war eben da, aber mehr auch nicht.“ Traurig sah sie Ian an. „Wir haben uns wohl nie ernsthaft bemüht eine Familie zu sein und nun ist es zu spät.“
„Es ist niemals zu spät für einen Neuanfang“, bemerkte er und rückte näher an sie heran. Sie schüttelte den Kopf und in ihrem Blick lag etwas Endgültiges.
„Nein. Das ist vorbei. Zu viel ist zerstört und ich ertrage die Blicke meiner Mutter einfach nicht mehr, in denen der ständige Vorwurf steht, was für eine Schande ich über meine Familie gebracht habe.“
Stirnrunzelnd sah Ian sie an und Faith wurde merklich blasser. Sie senkte schuldbewusst den Kopf. Es war offensichtlich, dass sie diese Bemerkung nicht hatte machen wollen.
„Was kann so schlimm sein, dass man nicht in Ruhe darüber reden kann?“, wollte er wissen. Sie atmete tief ein und betrachtete intensiv ihre Fingerspitzen.
„Entschuldige, ich hätte das nicht sagen dürfen“, flüsterte sie heiser.
„Du willst nicht darüber reden?“
Verschämt sah sie ihn unter langen Wimpern an und schüttelte erneut den Kopf.
„Ehrlich gesagt nicht. Ich habe dir schon viel mehr erzählt, als ich sollte. Du bist mein Boss, nicht mein Beichtvater.“
Ungeachtet ihrer erschrocken aufgerissenen Augen legte er plötzlich seine Arme um Faith und zog sie an sich. Sie war zutiefst verwirrt und zum dritten Mal innerhalb von Minuten kämpfte sie plötzlich gegen die Tränen. Es war Jahre her, das sie zum letzten Mal geweint hatte und sie wollte daran auch eigentlich nichts ändern.
Aber es tat so gut, dass er sie an sich zog. Sie spürte seinen Herzschlag an ihrer Brust, seinen Atem der ihren Hals streifte. Unsicher lehnte sie sich an ihn und wagte kaum die Umarmung zu erwidern. Sein Griff verstärkte sich und er legte seine warme Wange an ihre Schläfe.
„Es tut mir leid, Faith. Ganz gleich was passiert ist, niemand hat es verdient, so behandelt zu werden.“
Faith schloss die brennenden Augen und schlang die Arme um Ian. Das letzte Mal war es ihre Großmutter gewesen, die sie tröstend an sich gedrückt hatte. Es war so lange her, dass jemand sie einfach in den Arm nahm und ihr dieses Gefühl von Geborgensein schenkte.
Sie spürte wie die Tränen in ihrem Hals hoch krochen, schluckte ein paar Mal und drängte sie zurück. Dann presste sie sich unwillkürlich an Ian und wollte nur noch das Gefühl genießen von ihm gehalten zu werden und seinen starken, warmen Körper zu spüren. Er roch so gut.
Nur für einen Moment wollte sie vergessen, dass es dort draußen in ihrer normalen Welt niemanden gab, der ihr zur Seite stand. Oder mit wie viel Leere es sie immer wieder erfüllte, wenn sie ihre Schüler verließ und in ihre kleine unbelebte
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