Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Owen Meany

Owen Meany

Titel: Owen Meany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
Vom Netzwerk:
GERMAINE DIR EINEN GEMACHT
HAT!« entgegnete er.
    »Erinnerst du dich noch an deinen ersten Steifen?« wollte ich wissen. Wir schwiegen beide. Wenn ich mich nicht irrte,
war Hester an meinem ersten Steifen schuld, und das wollte ich Owen nicht
erzählen; und wenn ich mich nicht irrte, war meine Mutter an seinem ersten Steifen schuld gewesen, was wahrscheinlich der Grund dafür
war, daß er nicht antwortete.
    Schließlich sagte er: »ES IST SO ÄHNLICH WIE MIT DIR UND
MISTER FISH –, ICH GLAUBE, ICH HAB SCHON IMMER EINEN STEIFEN GEHABT.«
    »Erinnerst du dich an Amanda Dowling?« fragte ich ihn.
    »DA LÄUFT’S MIR KALT DEN RÜCKEN RUNTER!« entgegnete
er. »ERINNERST DU DICH NOCH AN DAS SPIEL MIT DEM
GÜRTELTIER?«
    [838]  »Natürlich!« antwortete
ich. »Erinnerst du dich noch daran, wie sich Maureen Early in die Hose gemacht
hat?«
    »DAS IST IHR ZWEIMAL PASSIERT!« erwiderte
er. »ERINNERST DU DICH NOCH, WIE DEINE GROSSMUTTER
GEHEULT HAT WIE EINE TODESFEE?«
    »Das werd ich nie vergessen«, sagte ich. »Erinnerst du dich, wie du
im Baggersee das Seil losgebunden hast – wie du dich versteckt hast, als wir
dort schwimmen waren?«
    »IHR HABT MICH ERTRINKEN LASSEN – IHR HABT MICH
STERBEN LASSEN«, sagte er.
    Wir aßen am Swimmingpool zu Abend; anschließend saßen wir bis weit
nach Mitternacht im Wasser und tranken Bier – bis uns der Barkeeper mitteilte,
er dürfe uns nichts mehr bringen.
    »Sie dürften eigentlich sowieso nichts trinken, wenn Sie sich im
Wasser aufhalten«, erklärte er uns. »Sie könnten ertrinken. Und außerdem ist
mein Dienst jetzt zu Ende.«
    »GENAU WIE IN DER ARMEE«, meinte Owen. »VORSCHRIFTEN, NICHTS ALS VORSCHRIFTEN.«
    Also nahmen wir einen Sechserpack Bier und ein Eimerchen Eis mit
aufs Zimmer; wir sahen uns den Spätfilm an, und danach noch den zweiten
Spätfilm – und versuchten uns dabei an all die Filme zu erinnern, die wir
irgendwann gesehen hatten. Ich war so betrunken, daß ich mich nicht an die
Filme erinnern kann, die wir uns in dieser Nacht in Phoenix angesehen haben.
Owen Meany war so betrunken, daß er in der Badewanne einschlief; er war, wie er
sagte, in die Badewanne gestiegen, weil er das Gefühl, im Swimmingpool zu
sitzen, vermißte. Nur konnte er dann den Film nicht verfolgen – von der
Badewanne aus sah er nichts –, und so bestand er darauf, daß ich ihm
schilderte, was am Bildschirm passierte.
    »Jetzt küßt sie sein Foto!« verkündete ich ihm lautstark.
    »WELCHE KÜSST SEIN FOTO – DIE BLONDINE?« fragte
er. »UND WELCHES FOTO?«
    Ich beschrieb ihm weiter alles, was im Film passierte, bis ich ihn [839]  schnarchen hörte. Nun ließ ich das Wasser
ablaufen und hob ihn aus der Wanne. Er war so leicht, es war kein Problem, ihn
hochzuheben. Ich trocknete ihn mit einem Handtuch ab; er wachte nicht auf. Er
murmelte in seinem trunkenen Schlaf vor sich hin.
    »ICH WEISS, DASS DU AUS EINEM BESTIMMTEN GRUND HIER
BIST«, murmelte er.
    Als ich ihn ins Bett packte, öffnete er blinzelnd die Augen und
sagte: »O GOTT – WARUM HAT SICH MEINE STIMME NICHT
VERÄNDERT, WARUM HAST DU MIR SO EINE STIMME GEGEBEN? DU MUSST DOCH EINEN GRUND
GEHABT HABEN?« Dann schloß er die Augen wieder und sagte: »WATAHANTOWET.«
    Als ich mich ins Bett legte und das Licht ausknipste, wünschte ich
ihm eine gute Nacht.
    »Gute Nacht, Owen«, sagte ich.
    »KEINE SORGE, DIR WIRD NICHTS PASSIEREN«, erwiderte
Owen Meany. »DEIN VATER IST GAR KEIN SO SCHLECHTER KERL.«
    Als ich am Morgen aufwachte, hatte ich einen fürchterlichen Kater;
Owen war bereits wach – er schrieb in sein Tagebuch. Das war sein letzter
Eintrag – an diesem Morgen schrieb er: »HEUTE IST ES
SOWEIT! ›…WER AN MICH GLAUBT, DER WIRD LEBEN, AUCH WENN ER STIRBT; UND WER DA
LEBT UND GLAUBT AN MICH, DER WIRD NIMMERMEHR STERBEN.‹«
    Es war Montag, der 8.   Juli 1968 – das Datum, das er auf Scrooges
Grab gesehen hatte.
    Major Rawls holte uns vom Hotel ab, und brachte uns zum
Flughafen. Mir schien, daß sich Rawls ganz anders als sonst benahm – er war das
genaue Gegenteil von gesprächig, murmelte nur etwas davon, daß mit einer Frau
»was schiefgelaufen« sei –, doch Owen hatte mir gesagt, daß der Major sehr
launisch sei.
    »ER IST KEIN ÜBLER KERL – ER WEISS NUR, DASS ER NIE
AUF EINEN GRÜNEN ZWEIG KOMMEN WIRD«, so hatte er Rawls [840]  beschrieben. »ER IST NOCH
VON DER ALTEN GARDE – TUT GERN SO, ALS HABE ER KEINE BILDUNG, DABEI MACHT ER
NICHTS ANDERES ALS LESEN; ER GEHT NICHT EINMAL INS KINO. UND

Weitere Kostenlose Bücher