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Owen Meany

Owen Meany

Titel: Owen Meany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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schauten hinauf zum weiten Himmel des Südwestens.
    »MANCHMAL WÜNSCHE ICH MIR, EIN STERN ZU SEIN«, begann
Owen. »DU KENNST DOCH DIESES DUMME LIED, ›WHEN YOU WISH
UPON A STAR… MAKES NO DIFFERENCE WHO YOU ARE‹, DAS HASSE ICH! ICH WILL MIR NICHTS WÜNSCHEN, WENN ICH EINEN STERN SEHE, ICH
MÖCHTE EIN STERN SEIN – DARÜBER SOLLTE ES EIN LIED GEBEN «, erklärte Owen
Meany, der, wenn ich mich nicht verzählt hatte, gerade sein sechstes oder
siebtes Bier trank.
    Major Rawls weckte uns mit einem frühmorgendlichen Anruf.
    »Kommt nicht zu der verdammten Beerdigung – die Familie macht einen Riesenaufstand wegen dem Trauergottesdienst. Sie
wollen niemanden vom Militär dabeihaben, sie sagen,
die amerikanische Flagge können wir behalten, die wollen sie nicht haben«,
erzählte er uns.
    »IST MIR RECHT «, meinte Owen Meany.
    »Ihr könnt also ruhig weiterschlafen«, sagte der Major.
    »IST MIR AUCH RECHT«, erwiderte Owen.
    [833]  So habe ich den »beknackten
Pfaffen«, den »reisenden Baptisten«, nie kennengelernt. Major Rawls erzählte
mir später, daß die Mutter den Geistlichen und den
Bestatter angespuckt hatte, vielleicht hatte es ihr leid getan, daß sie nun
nicht mehr Owen bei der Übergabe der amerikanischen Flagge ins Gesicht spucken
konnte.
    Es war Sonntag, der 7.   Juli 1968.
    Nach dem Anruf des Major legte ich mich noch einmal ins Bett; Owen
hingegen schrieb in sein Tagebuch.
    »WAS IST NUR MIT DIESEM LAND LOS?« schrieb er. »HIER HERRSCHT SO EINE DUMME ›AUGE UM AUGE, ZAHN UM
ZAHN‹-MENTALITÄT – ALLES IST SO VOLL VON SADISTISCHEM ZORN.« Er
schaltete den Fernseher ein, drehte aber den Ton ab; als ich, viel später,
aufwachte, schrieb er immer noch in sein Tagebuch und sah sich einen dieser
Fernsehprediger an – ohne Ton.
    »ES IST BESSER, WENN MAN SICH NICHT ANHÖREN MUSS, WAS
SIE SAGEN«, erklärte er.
    In sein Tagebuch schrieb er: »IST DIESES
LAND EINFACH SO RIESIG, DASS ES ALLES SO ÜBERTRIEBEN VEREINFACHEN MUSS? DER
KRIEG ZUM BEISPIEL: ENTWEDER HABEN WIR EINE STRATEGIE, UM IHN ZU ›GEWINNEN‹,
WAS UNS – FÜR DEN REST DER WELT – ZU MÖRDERN MACHT; ODER WIR STERBEN, OHNE FÜR
DEN SIEG ZU KÄMPFEN. UNSERE SOGENANNTE ›AUSSENPOLITLK‹ ZUM BEISPIEL: ›AUSSENPOLITIK‹
IST BEI UNS LEDIGLICH EINE BESCHÖNIGENDE BEZEICHNUNG FÜR REKLAME IN EIGENER
SACHE, UND DIE REKLAME, DIE WIR FÜR UNS SELBST BETREIBEN, WIRD IMMER
SCHLECHTER. WIR WERDEN EINE NIEDERLAGE KASSIEREN, UND WIR SIND KEINE GUTEN
VERLIERER.
    DAS, WAS WIR ›RELIGION‹ NENNEN ZUM BEISPIEL: MAN
BRAUCHT NUR SONNTAGS MORGENS IRGENDEINEN FERNSEHSENDER EINZUSCHALTEN! ALL DIE
CHÖRE VON ARMEN UND UNGEBILDETEN – UND DIESE FURCHTBAREN PREDIGER, DIE IHRE
GESCHICHTEN VOM GUTEN HERRN JESUS WIE HAMBURGER VERKAUFEN. BALD WIRD AUCH IM
WEISSEN HAUS EIN PREDIGER [834]  SITZEN; BALD
KRIEGEN WIR EINEN KARDINAL ALS VORSITZENDEN DES OBERSTEN GERICHTSHOFS. UND
EINES TAGES WIRD ES EINE EPIDEMIE GEBEN – ICH WETTE, IRGENDEINE MONSTRÖSE
GESCHLECHTSKRANKHEIT. UND WAS WERDEN UNSERE EINZIGARTIGEN FÜHRER, UNSERE
KIRCHENFÜRSTEN UND STAATSMÄNNER DANN SAGEN? WIE WERDEN SIE UNS HELFEN? GANZ
BESTIMMT WERDEN SIE UNS NICHT HEILEN – ABER WOMIT
WERDEN SIE UNS TRÖSTEN? MAN BRAUCHT NUR DEN FERNSEHER EINZUSCHALTEN, UND SCHON
ERFÄHRT MAN, WAS UNSERE EINZIGARTIGEN FÜHRER, UNSERE KIRCHENFÜRSTEN SAGEN
WERDEN: ›ICH HAB’S EUCH JA GESAGT!‹ WERDEN SIE SAGEN, ›DAS HABT IHR VON DER
RUMVÖGELEI – ICH HAB EUCH JA GEWARNT, IHR SOLLT ES NICHT VOR DER EHE MACHEN.‹
SIEHT DENN NIEMAND, WAS DIESE DUMMKÖPFE IM SCHILDE FÜHREN? DIESE
SELBSTGERECHTEN FANATIKER SIND NICHT ›RELIGIÖS‹ – IHRE HAUSBACKENE WEISHEIT HAT NICHTS MIT ›MORAL‹ ZU TUN.
    DAS IST DIE RICHTUNG, IN DIE SICH UNSER LAND BEWEGT – HIN ZUR ÜBERTRIEBENEN VEREINFACHUNG. WIE EIN ZUKÜNFTIGER PRÄSIDENT AUSSEHEN
WIRD? DA BRAUCHT MAN NUR AN EINEM BELIEBIGEN SONNTAGMORGEN DAS FERNSEHEN
EINZUSCHALTEN – SICH IRGENDEINEN VON DIESEN TELEPFAFFEN ANZUSEHEN: DAS IST ER,
DAS IST DER PRÄSIDENT DER ZUKUNFT! UND WIE DIE ZUKUNFT ALL DER KINDER AUSSEHEN
WIRD, DIE DURCH DIE RISSE DIESER GROSSEN, NACHLÄSSIGEN GESELLSCHAFT, UNSERER
GESELLSCHAFT FALLEN? ICH HAB EBEN EINS DAVON GETROFFEN; EINEN GROSSEN, HAGEREN,
FÜNFZEHNJÄHRIGEN JUNGEN, ›DICK‹. ER IST ZIEMLICH BEÄNGSTIGEND. ER HAT EINEN
DEFEKT, DER DEM DES FERNSEHPREDIGERS, UNSERES ZUKÜNFTIGEN PRÄSIDENTEN, NICHT
UNÄHNLICH IST. WAS BEI BEIDEN NICHT STIMMT, IST, WIE SICHER SIE SIND, RECHT ZU HABEN! DAS IST ZIEMLICH
BEÄNGSTIGEND – DIE

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