Pablo Picasso - die Lebensgeschichte
Rinnsal der Haare, das Leidenskreuz der Stirnfalten. Und der schroffe Keil von Taschentuch, halb vollgerotzt, halb schneeiger Eisberg voll eingeritzter Tränen, gehalten von unscharf gemalter, fahriger Hand. Die Hilflosigkeit. Das Flehende!
Bild 17
Die Frauen haben es nicht leicht mit Pablo. Der wiederum sieht ihren Liebesschmerz mit den Augen des Künstlers – nicht gerade schmeichelhaft, aber genial!
Ein großartiges Bild, ein einziges hingewuchtetes Zeichen. Der Zeit voraus. Aber erkauft mit billigen Spielchen und Psychoterror? – »Ein Maler muss schaffen, was er spürt. Für mich war Dora immer eine Weinende. Weil Frauen Leidensmaschinen sind. « – Deine Frauen, weil du sie dazu machst. – »Ich könnte Dora nie lachend malen. Ich habe sie verzerrt gemalt, nicht aus Grausamkeit, nicht aus Vergnügen, sondern nach der Vision, die sich mir aufdrängte. «
Es ist wohl wahr, dass er in der coolen Dora gleich die schlummernde Tragödin erkannt hat. Ein Maler sieht eben mehr! Noch dazu, wenn auch in ihm ein Dämon schlummert. Dann muss er aus der geliebten Person auf Teufel komm raus die dunkle Seite hervorkitzeln. Dann muss er Dora genüsslich demütigen, provozieren, klein kriegen mit Sprüchen à la »Ich finde dich nicht anziehend. Ich liebe dich nicht. « Gut, das Bild ist kein Porträt im strengen Sinn. Es könnte irgendeine Frau in ihrer Not zeigen. Und okay, ein guter Künstler muss kein guter Mensch sein. Pablo ist beides im Extrem: ein großer Künstler und ein ausgesprochenes
Ekel. Nicht immer. Aber oft. Je älter, umso mehr. Frauen gegenüber. Bei Freunden. Wenn er will, haben die im Lokal vor allen Leuten einzeln zum Vorsingen anzutreten. Wer mitmacht, ist mein Freund, wer kneift, liebt mich nicht und kann gehen. So einfach ist das. Pablo hat stets neue Feuerproben und Treuetests für den Hofstaat auf Lager. Warum nur tanzen alle nach seiner Pfeife? Weil’s wahre Freunde sind? Nicht alle machen mit. Manche verweigern sich seinen selbstherrlichen Machtbeweisen – was bei ihm Unmut und, man höre und staune!, Respekt hervorruft.
Die Frauen haben’s schwerer. Da ist Gefühl im Spiel. Liebe. Oder, bei Marie-Thérèse, viel Gefühl, wahre Liebe und völlige Abhängigkeit. Doch eigentlich hängen alle an ihm. Er ist ja nicht nur boshaft. Er kann so liebenswert sein! Und rührend hilfsbedürftig, der große Mann. Ängstlich sogar, und furchtbar abergläubisch. Dass er kindlich ist, ja kindisch, macht gerade seinen Charme aus. Solche Schwächen und Star-Allüren, kombiniert mit Genie,Witz und Intelligenz! Er ist faszinierend. In seinem Dunstkreis zu sein, ist kein Sonntagsspaziergang, sondern ein Tanz auf dem Vulkan. Vulkan? Ein Mann, der sich beim kleinsten Wehwehchen auf dem Sterbebett wähnt, bei jedem Todesfall im Umkreis wegläuft, weil er sich verflucht sieht, der Nächste zu sein? Ja, auch das ist Picasso. Vielleicht gehören ja die Angst vor dem Tod und die Angst, nicht genug geliebt zu werden, zusammen. Jedenfalls ist Angst eine Triebfeder für seine Kunst wie für seine Grausamkeiten.
Ein Spanier friert nie
Das Jahr 1939 fängt für Pablo schon schlimm an: am 13. Januar stirbt seine Mutter. Dem Begräbnis bleibt er fern – die Angst vor dem Fluch und vor den Aufständischen siegt über Liebe und Respekt gegenüber der Verstorbenen. Damit hat er die Chance, Barcelona noch einmal zu sehen, verpasst. Im gleichen Monat erobert Franco die Stadt. Bald kapituliert Madrid. Dieses »schwarze Spanien« will er nicht betreten, schwört Pablo. Ein Abschied für immer. Erst zwei Jahre nach seinem Tod wird Spanien mit Francos Ende neue Wege gehen.
Kaum erholt von dem Verlust, stirbt sein Kunsthändler Vollard bei einem Autounfall. Dass dessen Chauffeur Marcel heißt – wie seiner!, und es eine Statue des verhassten Bildhauers Maillol ist, die Vollard beim Bremsen im Genick trifft, sieht Pablo als Omen. Das Schicksal hat Böses mit ihm vor! Da liegt er richtig. Bald schlägt das Schicksal zu. Doch nicht nur über ihm hängt ab Kriegsbeginn im September für lange Zeit ein Damoklesschwert.
Dabei läuft gerade alles bestens. Die Welt liebt ihn. Berühmte Fotografen bitten ihn, für Edelblätter wie das »Life«-Magazin zu posieren. In New York findet eine Retrospektive zum vierzigjährigen Schaffensjubiläum statt. Da kommt ihm diese dumme Politik in die Quere: »Wenn man mich damit ärgern will, dass man Krieg führt, geht das zu weit, oder?!« Seine erste Sorge gilt den Bildern. Die
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