Pablo Picasso - die Lebensgeschichte
ist neu besetzt. Zufall oder Fügung, dass sein Freund, der surrealistische Dichter Paul Éluard, ihm just die interessante Frau aus dem »Deux-Magots« vorstellt? Sie heißt Dora Maar und ist Malerin und Fotografin. Ein apartes Geschöpf, Jahrgang der »Demoiselles d’Avignon«, aufgewachsen in Argentinien und damit Pablos Muttersprache mächtig. Ihr Porträt zeigt eine schöne Intelligenzbestie mit rotlackierten Raubtierkrallen und Feuer im Blick. Leicht überkandidelt vielleicht. Na, das sind alle Surrealisten. Jedenfalls ist sie der denkbarste Gegensatz zu Marie-Thérèse. Und hat er nicht etwas Abwechslung verdient? Olga quält ihn mit bösen Briefen, ihr Anwalt mit Vorladungen, Marie-Thérèse mit der stillen Hoffnung auf baldige Ehe. Dass das mit Dora ernster wird, lag wirklich nicht in seiner Absicht. Es ergab sich so, als er sie im
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Voilà Dora Maar, eine Frau mit Geist und Temperament! Kennzeichen: scharfsinnig, spitzzüngig, spielt gern mit Ideen und Messern…
Sommer 1936 bei Freunden in Saint-Tropez wiedertraf. Es hat ihm gut getan, ihr sein Herz auszuschütten – auf Spanisch! Noch dazu hatten sich in Spanien aufständische Militärs gerade daran gemacht, die Regierung zu stürzen. Marie-Thérèse ist das so egal wie ein Sack Reis, der irgendwo in China umfällt. Dora hingegen! Hat er je mit einer Frau so anregende Gespräche geführt? Was, Politik betreffend, in seinem Kopf bisher ein vages Kuddelmuddel war – Dora holt es raus und macht eine Kampfansage draus. Ja! Wer, wenn nicht er, der berühmteste Spanier der Zeit, muss jetzt Farbe bekennen und gegen die Nationalisten um diesen General Franco Stellung beziehen! Italien, Deutschland und nun auch sein geliebtes Spanien – der Faschismus marschiert. Die guten Zeiten sind vorbei.
Gute Zeiten, schlechte Zeiten
Dümmer hätte es wohl kaum laufen können!
P icassos Feldzug besteht zunächst darin, die spanische Republik durch Unterschriftenaktionen und Geld zu unterstützen. Dafür ernennt man ihn zum Ehrendirektor des Prado – einem leeren Museum. Wegen der Bomben auf Madrid hat man die Bilder nach Valencia gebracht. Düstere Aussichten! Pablo aber geht’s ganz gut – er hat Kraft getankt im Süden mit Dora und ohne Marie-Thérèse. So nimmt er im Herbst 1936 die gerichtlich verfügte Besitzaufteilung recht gefasst auf. Dabei hätte es kaum dümmer laufen können! Was soll Olga mit Schloss Boisgeloup, dem abgelegenen Kasten, wo sie nie war und jetzt Marie-Thérèse wohnt? Und was hat er von der Ehewohnung, wo in jeder Ecke das Gespenst Olga spukt? Aber Hauptsache, die Trennung ist offiziell. Mehr ist nicht drin. Die Scheidung kann er vergessen.
Doch wozu hat man Freunde? Da ist der gute alte Vollard, der ihm ein Haus bei Versailles anbietet, nah, doch nicht zu nah an Paris – genau richtig für Marie-Thérèse! Die zugehörige Scheune wird zum Atelier gemacht und schon sind Mama, Papa, Kind beisammen. Gut, nicht ständig. Ein-, zweimal die Woche, bestimmt aber am Wochenende! Schon wegen Maya. So heißt die Süße jetzt.
Da »Conchita« für ihre kleinen Freunde nach »con«, »Dummkopf«, klingt, ruft man sie bald »María«, was sie wie »Maya« ausspricht. »Perfekt!«, findet Pablo die Selbsttaufe, »Es bedeutet die größte Illusion auf Erden«! Woher kennt er den »Schleier der Maya«, der für alle Täuschungen im Leben steht? Von der Lektüre des in seiner Jugend populären Philosophen Friedrich Nietzsche? Oder hat eine gewisse Dora ihn drauf gebracht? Wie auch immer, der Name ist schön. Auch die Mutter des antiken Gottes Hermes heißt so. Und eine römische Göttin, von deren Fest im Frühling der Mai seinen Namen hat. Maya Picasso. Nein, Maya Walter. Denn offiziell gilt Pablo als ihr Taufpate, nicht als ihr Vater. Das tut der Liebe keinen Abbruch. Wenn er da ist, ist er wirklich für sie da. Mit dem plötzlichen Ausruf »Beweg dich nicht!« hält er Maya in allen möglichen Situationen im Zeichenheft fest. Besonders als Dreijährige ist sie Pablos liebstes Modell.
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Marie-Thérèse im Mutterglück – zärtlich nimmt sie die kleine Maya unter ihre weichen weißen Fittiche.
Am Beginn dieser Reihe steht ein Bild von ihr mit Mama. Ein Winterbild in Gletscherfarben und doch voll Wärme, gemalt im Januar 1938. Wieder dient ein Sessel als Schauplatz. Hier ist es ein schwarzer Kasten – das einzig Eckige im Bild. Da sitzt Marie-Thérèse, sechs Jahre nach dem »Traum« und schöner denn je. Nun ist sie wach. Aber
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