Pablo Picasso - die Lebensgeschichte
sieht sie nicht trotzdem aus, als träumte sie? Diese bläulichen Schatten im blassen Gesicht! Sie hat nur Augen für Maya. Selbst ihre Nase ist verschoben, wie um das geliebte Kind besser riechen zu können. Die Lippen finden sich in einem Hauch von Kuss. Die Münder ähneln sich wie ein Spiegelbild.
Überhaupt ist Maya ganz die Mama. Die Hände der beiden stellt Pablo wie duftige Federn dar – weiße Flügel, Taubenflügel! Maya hat ihre ganz fest um Mamas Hals geschlungen, Marie-Thérèse hält Maya geborgen unter ihren Fittichen. Wie ein Schutzengel! Oder eine Glucke? Jedenfalls ist im Idyll kein Platz für einen Dritten. Hat sich Pablo zu Paulos Babyzeiten als Sockel der Familie gemalt, so ist er hier nur Zuschauer trauter Zweisamkeit.
Er ist in jedem Sinn »nicht im Bilde«. Er will’s ja so! Immerhin scheint Maya von ihm Notiz zu nehmen. Anders als ihre Mutter, der offenbar nichts und niemand zu ihrem Glück fehlt.
So hätte er’s gern, nicht wahr? Vielleicht aber ist Marie-Thérèse zu traurig, um ihm ins Gesicht zu schauen? Noch immer bekennt sich Pablo nicht offen zu ihr. Auf den folgenden Bildern ist Maya den Armen der Mutter schon entwachsen. Ihr Blick gilt nun ganz Papa Pablo. Da sitzt sie auf dem Boden und zeigt ihm stolz Boot, Ball, Pferdchen, Puppe. Das Segelschiff scheint ihr liebstes Spielzeug zu sein. Überhaupt ist sie ein unternehmungslustiges Ding! Eine Jägerin mit Schmetterlingsnetz, die vor Staunen vergisst, den Falter, der zum Greifen nah vorübergaukelt, auch einzufangen. Bunt und auf lustige Art unbeholfen gemalt, passen Motiv und Stil der Bilder zusammen. Anders als Paulo, der auf seinen Porträts ein großer kleiner Prinz ist, ernst und brav, darf Maya ganz Kind sein. Pablo hat seine Freude an ihr. Marie-Thérèse spielt da keine Rolle. Er malt seine drei Frauen nun jede für sich. Sauber getrennt wie im wahren Leben! Marie-Thérèse weiß noch immer nichts von Dora. Oder will sie’s nicht wissen? Still findet sie sich im März 1937 mit Pablos Umzug in die Rue des Grands-Augustins ab. Dora hat hier, im Quartier Latin, für Pablo zwei Wohnungen übereinander besorgt, einen Katzensprung von ihrer entfernt. Dreißig Jahre lang ist dies nun sein Pariser Atelier. Eine Gedenktafel erinnert heute daran, dass Picasso hier sein berühmtestes Werk schuf – das große wie großartige Gemälde »Guernica«.
Guernica
Die Reise eines seiner Werke zur Weltausstellung hatte Pablo im Jahr 1900 nach Paris geführt. Bild und Maler fanden damals kaum Beachtung. 37 Jahre später steht der Stadt wieder eine Weltausstellung ins Haus. Und wieder ist ein Picasso im spanischen Pavillon – diesmal ein Wandgemälde, um das ihn die spanische Regierung gebeten hatte.
Pablo geht unlustig an die Sache. Frei und selbstbestimmt wie er lebt, liebt er’s gar nicht, dass man ihm Aufträge erteilt, und seien die noch so ehrenvoll. Erst mal zieht er um. Dann räumt er sein wunderbar geräumiges neues Atelier ein. Es wird April. Am 25. Mai beginnt das Spektakel, und er hat noch keinen Strich gemalt! Am 26. April eskaliert der Spanische Bürgerkrieg. Mehrere Flugzeugstaffeln, darunter die deutsche Legion Condor, fliegen für Franco einen Überfallangriff auf die baskische Kleinstadt Guernica. In drei Stunden werden zwei Drittel der Häuser zerbombt. Da Markttag ist, kommen Hunderte von Menschen ums
Leben, darunter viele Frauen und Kinder. Die Welt ist erschüttert. Noch nie gab es einen Luftangriff auf eine Stad t und schutzlose Zivilisten. Sieht so der Krieg der Zukunft aus? Das schreckliche Ereignis und die Vision seiner Wiederholbarkeit rütteln Pablo auf. Nun hat er sein Thema für den Auftrag. Aus einer lästigen Angelegenheit wird ein eigenes Anliegen. In nur vier Wochen entsteht »Guernica«.
Bild 16
Und … Action! In einem wahren Schaffensrausch entsteht in kürzester Zeit das fast acht Meter breite Kolossalgemälde »Guernica«.
Inhalt und Botschaft des großen Wandbilds gehen weit über die titelgebende Tragödie hinaus. Picasso malt nicht die Stadt Guernica und auch nicht den Bürgerkrieg. Was er zeigt, sind die Folgen jedes Kriegs, zu allen Zeiten – maßloses Entsetzen und der gewaltsame Tod Unschuldiger. Ein aufgebäumtes Pferd im Zentrum ist Symbol für das Volk. Drumherum schreiende Frauen, eine mit ihrem toten Kind im Schoß. Eine sterbend hingestreckte Gestalt, ein wutschnaubender Stier – Picasso baut das Desaster aus Motiven des eigenen Formenvorrats und Zitaten nach Rubens und
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