Paganinis Fluch - Kepler, L: Paganinis Fluch - Paganinikontraktet
jemandemgeschützt werden, wir wissen es noch nicht, womöglich ist er ein enger Verwandter des Verteidigungsattachés oder von Joachim Rücker.«
»Aber ihr wisst ja nicht einmal, wie er aussieht«, sagt sie. »Es gibt keine Zeugen, wie sollen wir in die Botschaft hineingehen, ohne zu wissen, wie …«
»Ich treibe einen Zeugen auf«, unterbricht Joona sie.
Es wird kurz still. Joona hört Klara Olofsdotter in den Hörer atmen.
»Dann sorge ich dafür, dass ihr hineinkommt«, sagt sie.
82
Das Gesicht
Joona Linna und Saga Bauer stehen in der sicheren Wohnung am Östermalmstorg. Alle Lampen sind ausgeschaltet. Vor den Fenstern leuchtet der morgendliche Himmel. Penelope Fernandez sitzt auf dem Fußboden, an die hintere Wand gelehnt und zeigt auf das Fenster.
»Ja, dort ist die Kugel eingedrungen«, bestätigt Saga gedämpft.
»Die Lampe hat mich gerettet«, sagt Penelope leise und senkt die Hand.
Sie betrachten die Reste der Lampe im Fenster, die herabhängende Schnur und den zerbrochenen Plastiksockel.
»Ich habe das Licht ausgemacht, um besser sehen zu können, was auf dem Platz passiert«, sagt Penelope. »Die Lampe pendelte, und er hat gedacht, das wäre ich, stimmt’s? Er hat geglaubt, ich hätte mich bewegt, dass die Wärme von meinem Körper stammt.«
Joona wendet sich an Saga.
»Hat er ein optoelektronisches Zielgerät benutzt?«
Saga nickt und sagt:
»Laut Jenny Göransson hatte er eins.«
»Wie bitte?«, fragt Penelope.
»Sie haben recht – wahrscheinlich hat die Lampe Ihnen das Leben gerettet«, antwortet Joona.
»Gott im Himmel«, schluchzt sie.
Joona sieht sie ruhig an, seine grauen Augen leuchten.
»Penelope«, sagt er. »Sie haben sein Gesicht gesehen, stimmt’s? Nicht eben, aber vorher. Sie haben gesagt, Sie hätten es nicht gesehen.Ich verstehe, dass Sie Angst haben, aber … ich möchte, dass Sie nicken, wenn Sie glauben, ihn beschreiben zu können.«
Sie wischt sich rasch die Wangen trocken, schaut zu dem Kommissar auf und schüttelt den Kopf.
»Können Sie uns irgendeine Art von Personenbeschreibung geben?«, fragt Saga behutsam.
Penelope denkt an die Stimme des Kriminalkommissars, seinen weichen finnischen Akzent und fragt sich, was ihn so sicher macht, dass sie das Gesicht ihres Verfolgers gesehen hat. Sie hat ihn gesehen, weiß aber nicht, ob sie ihn beschreiben könnte. Es ging alles so schnell. Sie hat nur einen ganz kurzen Blick auf ihn werfen können, mit Regen im Gesicht, wenige Sekunden, nachdem er Björn und Ossian Wallenberg getötet hatte.
Sie würde sich wünschen, jede Erinnerung daran verdrängen zu können.
Doch sein müdes, beinahe bekümmertes Gesicht wird immer und immer wieder vom weißen Licht eines Blitzes erleuchtet.
Saga Bauer geht zu Joona, der an dem Fenster mit dem Kugelloch steht und eine lange SMS auf dem Display seines Handys liest.
»Klara Olofsdotter hat mit dem Chefjuristen gesprochen, der wiederum mit dem Botschafter gesprochen hat«, sagt Joona. »In einer Stunde wird drei Personen für fünfundvierzig Minuten Zugang zur Botschaft gewährt.«
»Dann sollten wir jetzt hinfahren«, sagt Saga.
»Das eilt nicht«, erwidert Joona und blickt zögernd auf den Platz hinaus.
Hinter den Absperrungen der Polizei rund um die Markthalle drängeln sich die Journalisten.
»Hast du der Staatsanwältin gesagt, dass wir Feuerschutz benötigen?«, fragt Saga.
»Darüber müssen wir mit dem deutschen Wachpersonal sprechen.«
»Wer geht rein? Wie sollen wir das entscheiden?«
Joona dreht sich zu ihr um.
»Ich frage mich … unser Kollege, der den Killer verfolgt hat …«
»Stewe Billgren«, sagt sie.
»Ja genau, Stewe Billgren«, sagt Joona. »Könnte er den Mann identifizieren?«
»Er hat sein Gesicht nicht gesehen, keiner hat das Gesicht gesehen«, antwortet Saga und setzt sich neben Penelope auf den Boden.
Saga bleibt eine Weile bei ihr sitzen, lehnt sich genau wie Penelope an die Wand und atmet ruhig, ehe sie ihre erste Frage stellt.
»Was will er von Ihnen? Der Mann, der Sie verfolgt – wissen Sie, warum das alles passiert?«
»Nein«, antwortet Penelope.
»Er will ein Foto haben, das Sie an die Glastür in Ihrer Wohnung geklebt hatten«, erklärt Joona mit dem Rücken zu ihr.
Sie senkt den Blick und nickt schwach.
»Wissen Sie, warum er das Bild haben will?«, erkundigt sich Saga.
»Nein«, antwortet sie und bricht in Tränen aus.
Saga wartet einen Moment und sagt dann:
»Björn hat versucht, Carl Palmcrona zu erpressen und
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