Paganinis Fluch - Kepler, L: Paganinis Fluch - Paganinikontraktet
Anruf setzte sie unter Druck. Sie konnten unmöglich wissen, wie viel oder wie wenig es enthüllte, aber sie begriffen natürlich, dass es nicht gut war. Wir wissen nicht, was in ihren Köpfen vorging. Vielleicht dachten sie, Sie oder Björn hätten das Foto von ihnen in der Loge gemacht.«
»Aber …«
»Sie konnten nicht wissen, wie viel oder wie wenig Sie wussten. Aber sie wollten kein Risiko eingehen.«
»Ich verstehe«, sagt Penelope. »Und es geht immer noch um das Gleiche, nicht wahr?«
»Ja.«
Penelope nickt für sich.
»In ihren Augen könnte ich die einzige Zeugin des Geschäfts sein«, sagt sie.
»Sie haben viel Geld in diesen Vertrag mit Kenia investiert.«
»Das geht nicht«, flüstert sie.
»Was sagen Sie?«
Penelope schaut auf, begegnet Sagas Blick.
»Sie dürfen keine Munition in die Provinz Darfur pumpen, das geht einfach nicht, ich bin dort zwei Mal gewesen …«
»Das ist denen egal, ihnen geht es nur ums Geld«, meint Saga.
»Nein, es geht um … es geht um viel mehr«, widerspricht Penelope und richtet den Blick auf die Wand. »Es geht um …«
Sie schweigt und erinnert sich an das Knirschen, als eine Lehmfigur unter den Hufen einer Ziege zerbrochen wurde. Eine kleine Frau aus sonnengetrocknetem Lehm wurde in Bruchstücke verwandelt. Ein Kind lachte und rief, das sei Nufis hässliche Mutter gewesen. Alle Fur sollen sterben, alle sollen ausgerottet werden, riefen die anderen Kinder mit fröhlichen Gesichtern.
»Was versuchen Sie uns zu sagen?«, fragt Saga.
Penelope sieht sie an, begegnet für Sekunden Sagas Blick, antwortet aber nicht. In Gedanken kehrt sie in ihre Erinnerungen an den Monat in Kenia und im südwestlichen Sudan zurück.
Nach einer langen und heißen Autofahrt hatte sie das Lager in Kubbum erreicht, südwestlich von Nyala in Janub Darfur im südlichen Sudan. Schon an ihrem ersten Tag kämpfte sie gemeinsam mit Jane und dem Mann, der Grey genannt wurde, um den Opfern der Überfälle durch die Dschandschawid beizustehen.
In der Nacht wurde Penelope davon geweckt, dass drei Jugendliche, die der Miliz angehörten, auf Arabisch grölten, dass sie alle Sklaven töten würden. Sie gingen mitten auf der Straße, und einer von ihnen hielt einen Revolver in der Hand. Penelope stand am Fenster und blickte zu ihnen hinaus, als sie plötzlich zu einem alten Mann gingen, der Süßkartoffeln grillte, und ihn erschossen.
Die Jungen kehrten auf die Straße zurück, schauten sich um und bewegten sich dann direkt auf die Baracke zu, in der Penelopeund Jane wohnten. Penelope hielt den Atem an, während sie die Jungen auf der Veranda umherstiefeln und erregt miteinander sprechen hörte.
Plötzlich traten sie die Tür der Baracke ein und betraten den Flur. Penelope lag mucksmäuschenstill unter ihrem Bett und sprach stumm ein Vaterunser. Möbel kippten um, schlugen auf den Boden, wurden in Stücke getreten. Dann hörte man die Jungen wieder auf der Straße. Einer von ihnen lachte und rief, dass die Sklaven sterben würden. Penelope kroch unter dem Bett hervor und stellte sich wieder ans Fenster. Die Jungen hatten Jane geholt, schleiften sie an den Haaren ins Freie und warfen sie mitten auf die Straße. Die Tür der zweiten Wohnbaracke am Wegrand wurde plötzlich geöffnet, und Grey kam mit einer Machete in der Hand heraus. Der hagere Junge ging ihm entgegen. Grey war etwa dreißig Zentimeter größer als der Junge und hatte breite Schultern.
»Was wollt ihr?«, fragte Grey.
Sein Gesicht war ernst und glänzte vor Schweiß.
Der schmale Junge beantwortete seine Frage nicht, hob bloß den Revolver und schoss Grey in den Bauch. Der Schuss hallte zwischen den Häusern wider. Grey stürzte stolpernd nach hinten, fiel auf den Rücken, versuchte sich aufzurichten, blieb dann aber mit der Hand auf dem Bauch reglos liegen.
»Ein toter Fur«, rief einer der anderen Jungen, der Jane an den Haaren festhielt.
Der zweite Junge zwang ihre Schenkel auseinander. Sie wehrte sich und redete unablässig mit fester, ruhiger Stimme auf sie ein. Grey rief den Jungen etwas zu. Der Hagere mit dem Revolver kehrte zu ihm zurück, schrie ihn an, presste die Mündung des Revolvers auf seine Stirn und drückte ab. Es klickte, er drückte wieder ab und wieder, aber der Revolver war leer, es klickte sechs Mal. Ein kurzes Zögern entstand auf der Straße, und die Türen anderer Baracken öffneten sich, Frauen traten ins Freie. Die Jungen ließenJane los und liefen davon. Penelope sah, dass fünf Frauen sie
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