Paganinis Fluch - Kepler, L: Paganinis Fluch - Paganinikontraktet
verfolgten. Sie riss die Decke auf ihrem Bett an sich, schloss die Tür auf, rannte durch den Flur und auf die Straße hinaus. Sie lief zu Jane, schlang die Decke um sie, half ihr auf.
»Rein mit dir«, sagte Jane. »Sie könnten mit neuer Munition zurückkommen, du darfst nicht hier draußen sein …«
Die ganze Nacht und den nächsten Morgen stand Jane am Operationstisch. Erst gegen zehn legte sie sich in ihrer Baracke mit der Gewissheit ins Bett, Greys Leben gerettet zu haben. Gegen Abend arbeitete sie wie üblich, und am nächsten Tag war im Krankenzelt wieder alles beim Alten. Die kleinen Jungen halfen ihr, waren aber stärker auf der Hut und taten manchmal, als würden sie sie nicht verstehen, wenn sie das Gefühl hatten, dass sie zu viel verlangte.
»Nein«, flüstert Penelope.
»Was versuchen Sie, uns zu sagen?«, wiederholt Saga.
Penelope denkt, dass sie keine Munition in den Sudan exportieren dürfen.
»Das dürfen die nicht tun«, sagt sie und verstummt.
»In dem unterirdischen Raum waren Sie besser geschützt«, sagt Saga.
»Geschützt? Keiner kann mich schützen«, entgegnet Penelope.
»Wir wissen, wo er ist, er befindet sich in der deutschen Botschaft und wir haben das Gebäude umzingelt …«
»Aber Sie haben ihn nicht«, unterbricht Penelope Saga.
»Er ist wahrscheinlich verletzt, eine Schusswunde, und wir werden hineingehen und …«
»Ich will mitkommen«, sagt Penelope.
»Warum sollten …«
»Weil ich sein Gesicht gesehen habe«, antwortet sie.
Joona und Saga blicken sie an, dann sieht Penelope Joona an.
»Sie hatten recht«, sagt sie. »Ich habe ihn gesehen.«
»Wir haben nicht viel Zeit, aber wir schaffen es noch, ein Phantombild zu erstellen«, drängt Saga.
»Das nützt uns nichts«, erwidert Joona. »Wir können in der Botschaft eines anderen Landes niemanden nur wegen einer Ähnlichkeit mit einem Phantombild verhaften.«
»Und wenn er von einer Zeugin identifiziert wird?«, sagt Penelope, steht auf und sieht ihm ruhig in die Augen.
83
Der Täter
Penelope steht zwischen Saga Bauer und Joona Linna hinter einem gepanzerten Einsatzwagen vor der japanischen Botschaft in der Skarpögatan. Sie befinden sich nur fünfzig Meter vom Eingang zur deutschen Botschaft entfernt. Sie spürt das Gewicht der Schutzweste auf ihren Schultern und den Druck auf der Brust.
In fünf Minuten wird drei Personen für fünfundvierzig Minuten Zutritt zum Botschaftsgelände gewährt werden, damit sie versuchen können, den Tatverdächtigen zu identifizieren und festzunehmen.
Schweigend akzeptiert Penelope, dass Joona eine zusätzliche Pistole in einem Halfter auf ihrem Rücken deponiert. Er ändert den Winkel mehrmals, sodass er die Reservewaffe problemlos von ihrem Körper an sich reißen kann.
»Sie will das nicht«, bemerkt Saga.
»Ist schon in Ordnung«, sagt Penelope.
»Wir wissen nicht, was uns da drinnen erwartet«, sagt Joona. »Ich hoffe, dass alles ruhig ablaufen wird, aber falls es anders kommen sollte, könnte diese Waffe entscheidend sein.«
In der ganzen Gegend wimmelt es nur so von schwedischen Polizisten, Beamten des Staatsschutzes, Einsatzkräften und Krankenwagen.
Joona Linna betrachtet die Reste des ausgebrannten Volvos, von dem kaum mehr als das verkohlte Chassis übrig geblieben ist. Wrackteile liegen auf der Kreuzung verteilt. Erixon hat bereits ein Zündhütchen und Reste von Nitraminen gefunden.
»Wahrscheinlich Hexogen«, sagt er und schiebt die Brille auf seiner Nase hoch.
»Plastiksprengstoff«, sagt Joona und sieht auf die Uhr.
Ein Schäferhund scharwenzelt um die Beine eines Polizisten, legt sich auf den Asphalt und hechelt mit hängender Zunge.
Saga, Joona und Penelope werden von einer Einsatzgruppe zum Zaun eskortiert, wo sie von vier deutschen Militärpolizisten mit verschlossenen Gesichtern erwartet werden.
»Machen Sie sich keine Sorgen«, beruhigt Saga Penelope. »Sie werden den Täter nur identifizieren, und sobald Sie das getan haben, werden wir Sie hinauseskortieren. Das Schutzpersonal der Botschaft wartet, bis Sie in Sicherheit sind, und wird ihn erst dann festnehmen.«
Ein kräftig gebauter Militärpolizist mit sommersprossigem Gesicht öffnet die Pforte, lässt sie auf das Gelände der Botschaft, begrüßt sie freundlich und stellt sich als Karl Mann, Sicherheitschef, vor.
Sie begleiten ihn zum Haupteingang.
Die Morgenluft ist immer noch kühl.
»Es handelt sich um eine extrem gefährliche Person«, sagt Joona.
»Das ist uns klar, wir sind
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