Paganinis Fluch - Kepler, L: Paganinis Fluch - Paganinikontraktet
sagt der Mann.
Axel Riessen schaut zu Boden, zwischen seine Füße. Er kämpft darum, etwas anderes zu hören als das Wimmern aus dem Film, das Flehen, die rohen, grauenvollen Schreie. Er versucht, seinen Kopf mit der Erinnerung an Musik zu füllen, versucht, die Räume zu verstehen, die bei Bach entstehen, Räume, die von Helligkeit, von stürzenden Lichtstrahlen erfüllt sind.
Schließlich wird es still. Axel blickt zu dem Film auf. Die beiden Frauen liegen tot an der Wand. Er sieht den Mann mit der Kapuze, der keuchend mit einem Messer in der einen Hand und einer Pistole in der anderen Hand vor der Kamera steht.
»Dein Albtraum hat sich erfüllt – jetzt kannst du dir das Leben nehmen«, sagt der Mann im Film, wirft Pontus Salman die Pistole zu und tritt aus dem Bild, hinter die Kamera.
105
Die Zeugin
Saga Bauer verlässt Magdalena Ronander und steigt über die Absperrungsbänder. Immer mehr Schaulustige haben sich versammelt, das schwedische Fernsehen ist mit einem Übertragungswagen eingetroffen, ein Schutzpolizist versucht, die Leute zurückzudrängen, um einen Krankenwagen durchzulassen.
Saga lässt das alles hinter sich, geht einen Plattenweg im Garten irgendwelcher Nachbarn hinauf und an einem Jasminbaum vorbei. Sie geht immer schneller, und das letzte Stück zum Auto läuft sie quer über den Rasen.
»Das Mädchen«, hatte Joona am Telefon gesagt. »Du musst das Mädchen finden. Da war ein Mädchen bei Axel Riessen. Er nannte sie Beverly. Rede mit Robert, seinem Bruder. Sie ist ungefähr fünfzehn Jahre alt, sie muss irgendwie aufzutreiben sein.«
»Wie viel Zeit bleibt mir, den Staatsanwalt zu überzeugen?«
»Nicht viel«, hatte Joona geantwortet. »Aber du schaffst das.«
Während Saga in die Stadt zurückfährt, ruft sie Robert Riessen an, aber es meldet sich keiner. Sie ruft in der Telefonzentrale des Landeskriminalamts an und bittet darum, mit Joonas Assistentin verbunden zu werden, die einmal bei den olympischen Schwimmwettbewerben eine Medaille gewonnen hat und auf ihren übertrieben lackierten Fingernägeln und glänzenden Lippenstiften beharrt.
»Anja Larsson«, hört Saga nach kurzem Klingeln.
»Hallo, hier spricht Saga Bauer vom Staatsschutz, wir sind uns neulich begegnet …«
»Ja, ich weiß«, sagt Anja kühl.
»Ich wollte fragen, ob Sie ein Mädchen für mich finden können, dass möglicherweise Beverly Andersson heißt und …«
»Soll ich das dem Staatsschutz in Rechnung stellen?«
»Machen Sie verdammt noch mal, was Sie wollen, Hauptsache, Sie rücken mit einer Scheißtelefonnummer heraus, bevor …«
»Sie vergreifen sich im Ton, junge Dame.«
»Vergessen Sie einfach, dass ich gefragt habe.«
Saga flucht und hupt lang gezogen ein Auto an, das nicht losfährt, obwohl die Ampel auf Grün steht. Sie will das Gespräch schon wegdrücken, als sie Anjas Stimme hört.
»Wie alt ist sie?«
»Etwa fünfzehn.«
»Zu einer Beverly Andersson gibt es keine Telefonnummer. Möglich, dass auf sie kein Festnetzanschluss registriert ist, jedenfalls steht sie in keinem Telefonbuch … das Einzige, was ich finde, ist die Telefonnummer ihres Vaters.«
»Okay, ich rufe ihn an. Können Sie mir die Nummer simsen?«
»Schon passiert.«
»Danke, vielen Dank … Entschuldigen Sie, dass ich ein bisschen ungeduldig bin, aber ich mache mir Sorgen um Joona, dass er vielleicht eine Dummheit begeht, wenn er keine Verstärkung bekommt.«
»Haben Sie mit ihm gesprochen?«
»Er hat mich gebeten, nach dem Mädchen zu suchen. Ich bin ihr nie begegnet, ich weiß nicht … Er verlässt sich darauf, dass ich das regele, aber ich …«
»Rufen Sie Beverlys Vater an, ich suche weiter«, sagt Anja und legt auf.
Saga fährt im Stadtteil Hjorthagen rechts heran und ruft die Nummer an, die Anja ihr geschickt hat. Die Vorwahl 0418 gehört zu der südschwedischen Region Schonen. Möglicherweise Svalöv, denkt sie und wartet.
106
Der Vater
In einer Holzküche in Schonen schreckt ein Mann auf, als das Telefon klingelt. Er ist gerade erst hereingekommen, nachdem er über eine Stunde damit verbracht hat, eine junge Kuh zu befreien, die entlaufen war und sich im Stacheldraht des Nachbarn verfangen hatte. Evert Andersson hat Blut an den Fingern, Blut, das er an seiner blauen Arbeitskleidung abgewischt hat.
Als es klingelt, hindern ihn nicht nur seine schmutzigen Kleider daran, an den Apparat zu gehen, sondern auch das Gefühl, dass es in diesem Moment niemanden gibt, mit dem er gerne sprechen würde. Er
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