Pain - Bitter sollst du buessen
Schaluppe pflügte durchs Wasser. »Vorher bringe ich dich um.«
Es war dunkel … so dunkel – das erkannte sie selbst mit geschlossenen Augen. Und da waren Geräusche … merkwürdige Geräusche … ein tiefes grollendes Summen. Ihr Kopf dröhnte.
Sie wollte gern wieder einschlafen, doch irgendetwas zwang sie, die Augen einen Spaltbreit zu öffnen. Es war nach wie vor stockfinster. Sie spürte ein Holpern und realisierte, dass sie transportiert wurde, aber … Ihr Kopf schmerzte, ihr war übel. Wo war sie? Sie versuchte, sich zum Sitzen aufzurichten, und fühlte sich benommen. Eine Sekunde lang fürchtete sie, wieder das Bewusstsein zu verlieren, und dann kam die Erinnerung. Deutliche Bilder blitzten auf. Sie war in ihrem Schlafzimmer gewesen, und ein Mann mit einer dunklen Brille hatte sie überfallen … O Gott! John … Irgendwie war ihm die Flucht gelungen.
Sie tastete ihre Umgebung ab, sog tief die Luft in die Lungen und roch Benzin. Sie befand sich in irgendeinem Fahrzeug, vielleicht im Kofferraum … Nein, dazu war zu viel Platz … Sie lag auf der Ladefläche eines Pick-ups mit Abdeckplane, und John saß am Steuer, brachte sie irgendwohin – aber wohin?
Er drosselte das Tempo, und ihr ohnehin schon rasendes Herz hämmerte. Sie zweifelte nicht eine Sekunde lang daran, dass er sie umbringen würde. Er wollte es lediglich in seiner Privatsphäre tun, damit er mehr Zeit hatte. Sie dachte an seine Opfer, an die Qualen, die sie hatten ausstehen müssen, und ihr war klar, dass auch ihr dieser abscheuliche Todeskampf bevorstand.
Wenn sie sich doch nur orientieren könnte, wenn sie einen klaren Gedanken fassen könnte … In einem Pick-up gab es vielleicht Werkzeuge. John nahm eine scharfe Kurve, und sie glitt zur Seite … rollte gegen den Radkasten und stieß erneut mit dem Kopf an. Denk nach, Sam, denk nach, wohin bringt er dich wohl? Zu irgendeinem Ort, der abgelegen war. Die Polizei hatte schließlich doch ein paar Einzelheiten der Verbrechen für die Veröffentlichung freigegeben, und Sam hatte erfahren, dass der Mörder die Frauen für gewöhnlich in deren Wohnung mit einem Rosenkranz erwürgte … Sie tastete den Boden ab, ihre Finger fuhren über die Ladefläche, bis sie etwas fand … einen Werkzeugkasten. Dass sie so viel Glück hatte! Sie versuchte, den Kasten zu öffnen, doch er war verschlossen. Nicht in Panik geraten, nachdenken! Sie wollte mit Gewalt den Deckel abheben, doch er rührte sich nicht.
Reifen knirschten auf Kies. Der Wagen bewegte sich kaum noch vorwärts. Der Wagenheber! Wo war er? Ob sie ihn aus seiner Halterung lösen konnte? Sie befühlte die gesamte Ladefläche und die Radkästen – und fand nichts außer einer Angelrute. Aus Bambus. An einer Seite der Ladefläche befestigt. Nichts Schweres also. Verdammt!
Der Pick-up blieb stehen. Sam wog ihre Möglichkeiten ab. Wenn er die Heckklappe öffnete, konnte sie ihn anspringen, aber damit rechnete er wahrscheinlich. Nein, es war besser, so zu tun, als wäre sie noch immer bewusstlos, und wenn er versuchen sollte, ihr etwas über den Kopf zu streifen, musste sie reagieren.
Es fiel ihr ungeheuer schwer, still zu liegen, nicht zu verkrampfen, damit es so aussah, als wären ihre sämtlichen Muskeln erschlafft. In Wirklichkeit war sie so angespannt, dass sie kaum atmen konnte.
Der Motor verstummte.
O Gott, hilf mir.
Sie hörte, wie sich knarrend die Fahrertür öffnete, dann näherten sich Schritte.
Ruhig bleiben. Sie lag still, atmete langsam, schloss die Augen, ganz locker – obwohl ihre Nerven zum Zerreißen gespannt waren.
Die Heckklappe schwang auf, warme, modrige Luft drang herein, und sie vernahm das nächtliche Quaken von Ochsenfröschen und das Summen der Insekten.
Sumpf, der Bayou. O Gott, hier würde man sie niemals finden!
»Bist du schon wach?«, fragte er mit verführerischer Stimme. »Dr. Sam?« Er rüttelte an ihrem bloßen Fuß, eine heiße Hand an ihren Zehen. Sie reagierte nicht. »Wach auf, zum Teufel!« Jetzt klang seine Stimme schon gereizter. Sie regte sich noch immer nicht. »Sinnlos, sich tot zu stellen.« Er kitzelte sie unterm Fuß, und sie zwang sich, schlaff zu bleiben. »Los jetzt.« Er zog sie von der Ladefläche, und sie ließ sich gegen ihn sinken und die Beine schleifen. Es kostete sie alle Willenskraft, ihn nicht zu treten, sondern ihre Füße schlapp über den Boden scharren zu lassen. Er schleppte sie ein paar Meter weit über den Kiesweg, dann wich das Knirschen unter seinen Füßen
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