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Pakt der Könige

Titel: Pakt der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ange Guéro
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ohne zu atmen.
    Er hatte die Pflastersteine erreicht, als er endlich erschöpft nach Luft schnappte … Aber das war keine Luft, nur beißender, grauer Rauch, und irgendetwas hatte sich in der Stadt verändert: Der Himmel war schwarz, man sah keine Sterne mehr, das Firmament war verdunkelt, als hätte sich ein bösartiger Nebel über Sarsan gesenkt. Arekh blickte sich um; Tränen brannten in seinen Augen. Das Nordviertel der Stadt stand in Flammen. Die meisten Paläste der sarsischen Adligen waren eingestürzt; der Wind trieb Rauch und tödliche Asche in die tiefer gelegenen Straßen der Stadt und betäubte und erstickte die Überlebenden.
    Arekh rannte geradeaus; er hielt sich einen feuchten Hemdschoß vors Gesicht und stieß mit undeutlichen Silhouetten zusammen. Er dachte nur an eines: die Südmauer
zu erreichen. Er rannte die Gassen hinunter, während die Geräusche, Schreie und Rufe um ihn herum sich zu einem greifbaren, tönenden Nebel verdichteten, einer Mauer aus Lärm, grau und orange, in den Farben des Brandes. Er bog in einen Durchgang nach Westen ein, stützte sich an einer Mauer ab, von der ein Schild herabgefallen war.
    »Arrethas«, wimmerte eine junge, weibliche Stimme verloren in den Ruinen, die zu seiner Linken fast unsichtbar waren. »Arrethas, ich flehe dich an! Ich habe immer zu dir gebetet, ich habe immer fest an dich geglaubt. Rette meinen Mann, Arrethas, ich bitte dich … Rette uns …«
    Arekhs Herzschlag setzte aus. Einen kurzen Moment lang durchzuckte ihn ein heftiger, wilder Schmerz, während er keinerlei besondere Emotion verspürt hatte, als er zum Balkon hinaufgesprungen war. Das Überleben war ihm zur Gewohnheit geworden; er hatte den Tod so oft gestreift, dass er beinahe vergessen hatte, wie Entsetzen, kalter Schweiß und Panik sich anfühlten.
    Aber dieses Gebet: ein Gebet wie so viele andere, ein naives, unschuldiges Gebet zu den Göttern, das Gebet eines einfachen Wesens … Diese Worte zu hören, die keinen Sinn mehr hatten, den Gottesnamen, der verdrängte Erinnerungen wieder zurückholte, rief in Arekh dumpfen Zorn hervor, einen heftigen Hass, der sich aus Hoffnungslosigkeit speiste.
    »Das kümmert die Götter einen Dreck!«, brüllte er so laut er konnte in Richtung der Stimme. »Den Göttern ist dein Leid völlig gleichgültig! Es ist ihnen egal, ob du mit offenem Mund krepierst und ob die Leichen deiner Kinder in der Sonne verrotten und von Würmern zerfressen werden! Also halt den Mund, du Schlampe, und stirb schweigend!«

    Er war verrückt, das ging ihm schon in dem Moment auf, als die letzten Beleidigungen seinen Mund verließen, er war verrückt, verrückt, wahnsinnig, und sein Wutanfall half ihm noch nicht einmal, denn das war es nicht, was er ausdrücken wollte. Was er befürchtete, war schlimmer, viel schlimmer, so schlimm, dass er es noch nicht einmal aussprechen konnte.
    Die Klage der Fremden war verstummt. Arekh verspürte das lächerliche, unvernünftige Bedürfnis, sich zu entschuldigen, fing sich dann aber und rannte weiter auf die Stadtmauer zu; er versuchte, das Dunkel zu durchdringen.
    Seine Ruhe war verflogen. Das Blut pochte ihm in den Schläfen, nicht aus Furcht, sondern aus einem tiefer gehenden Gefühl. Eine weit ursprünglichere Angst hatte sich seiner bemächtigt, ein Entsetzen, das ihn nie ganz verlassen hatte, seit eine Frau, die er mehr als jeden anderen auf der Welt hasste, mit wenigen Worten sein Weltbild zerstört hatte.
    »Halt!«, schrie eine Stimme, und Arekh sah, dass ein Dutzend Männer die Straße versperrte.
    Banditen, Soldaten, Feinde, Flüchtlinge? In diesem Meer aus Asche war das unmöglich zu erkennen, und es war ihm ohnehin gleichgültig. Arekh wurde nicht langsamer. Drei Unbekannte traten einen Schritt vor, um ihm den Weg zu verstellen. Arekh packte den ersten bei den Haaren, stieß ihn gegen den zweiten und erdrosselte dann den dritten mit seinem Kragen, bevor er ihm das Kurzschwert aus dem Gürtel zog, das er einem vierten in die Brust rammte; der Mann brach röchelnd zusammen.
    Arekh wich einen Schritt zurück. »Ich will vorbei!«, rief er, um das Chaos ringsum zu übertönen. Er hob das Schwert. »Hat jemand etwas dagegen?«

    Die Männer wichen beiseite, und Arekh kletterte über die Barrikade.
    Die Straße stieg an, und als Arekh den Kopf hob, sah er die Stadtmauer vor sich: Nur einige Straßen entfernt ragte sie hoch und düster auf, eine gewaltige, glatte Fläche aus Dunkelheit inmitten von Schwärze. Im Westen hörte er

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