Pakt der Könige
und hörte, wie die Kleine ihm schweigend folgte. Arekh entfernte sich von dem Lagerhaus, schritt durch den Durchgang. Kein Schwerthieb, kein Aufschrei, kein dumpfer Laut, der angezeigt hätte, dass gerade eine Kinderleiche zu Boden gefallen war.
Der Offizier hatte sie gehen lassen.
Arekh erreichte das Tor, das er schon zweimal durchschritten hatte: Dieselben Meriniden wie vorher waren da, saßen auf den Steinen und scherzten in einem Dialekt aus dem Westen miteinander.
Die Sonne wärmte mittlerweile recht kräftig, und die Nebel lösten sich langsam über dem Schlachtfeld auf, so dass verbrannte Katapultreste, Leichen, Zelte und Pfützen aus Schlamm, Blut und Asche sichtbar wurden; Männer sammelten sich, Offiziere brüllten Befehle. Der Krieg war vorüber: Die Stadt war gefallen, und in ihrem Inneren wurde nun geplündert und getötet. Doch alles war
seltsam ruhig, und kein Feuer loderte mehr jenseits der Mauern. Alles musste in der Nacht verbrannt sein; für die Überlebenden würde der Tod grau und kalt in Form einer Schwertklinge kommen.
Das kleine Mädchen trottete Arekh nach.
»Ihr verpasst das Beste«, sagte Arekh mit einer Kopfbewegung, die dem dicksten der Soldaten galt, der Wurfknöchelchen aus Elfenbein in der Hand tanzen ließ.
Spontan ein Gespräch mit einer Wache zu beginnen, war die beste Methode, Fragen aus dem Weg zu gehen - eine List, die so alt wie die Welt war, aber verblüffend gut funktionierte.
»Mir doch egal«, sagte der Mann. »Mein Cousin plündert für mich mit - wir teilen uns alles.«
Arekh nickte, als heiße er das gut, blieb aber nicht stehen, und bald lagen die Wachen hinter ihm, während er auf das erste Katapult zuging. Die kleine Sklavin war immer noch hinter ihm, er hörte das leise Geräusch ihrer nackten Füße auf der Erde. Sie war etwas weniger als zwei Schritt von ihm entfernt; das war der Abstand, den Sklaven traditionell wahrten, wenn sie ihren Herren folgten.
Die Wachen ließen auch sie passieren.
Der Mann und das Kind gingen weiter, immer geradeaus, über das Schlachtfeld, fort von der Stadt und dem stillen Todeskampf, der sich in ihr abspielte.
Sie kamen an den Zelten vorbei. Die Offiziere hielten sie nicht auf.
Sie kamen an einem Trupp vorbei, der eine Waffenübung abhielt. Auch die Soldaten hielten sie nicht auf.
»Hau ab«, sagte Arekh halblaut zu dem Mädchen, als sie eine Freifläche zwischen zwei Abteilungen der Armee erreichten. »Verschwinde. Ich will dich nicht.«
Aber das Kind folgte ihm weiter, sogar als zwei Meriniden, die gerade erst angekommen waren, sich Arekh näherten, um ihn zu fragen, wie sich die Belagerung entwickelte. Arekh speiste sie mit einigen kurzen Worten ab und gab vor, eine dringende Nachricht überbringen zu müssen, um schnell weiterzukommen.
Das kleine Mädchen war noch immer hinter ihm.
Schließlich erreichten sie den Wald, in dem Arekh sich verstecken wollte, sobald er seine Meriniden-Uniform abgelegt hatte, die gefährlich werden konnte, falls er Freischärlern aus Sarsan über den Weg lief. Schon im ersten Hain drehte er sich um und zischte: »Jetzt verschwinde endlich! Verschwinde, verstanden? Wir sind hinter den Linien, und ich will nichts mehr von dir wissen! Ich will keine Sklavin!« Er zog sein Schwert und schwang es vor der Nase der Kleinen, die einen Schritt zurückwich und ihn aus großen blauen Augen verängstigt ansah. »Wenn du mir weiterhin folgst, töte ich dich!«
Und er drang tiefer in den Wald ein. Unter den gewaltigen Baumkronen und angesichts der bizarr gekrümmten Stämme fand er einen gewissen Frieden; es verschaffte ihm sogar eine Art finstere Befriedigung, zu spüren, wie Dornen seine Kleider zerrissen und ihn zerkratzten.
Er marschierte wütend und hasserfüllt vor sich hin, ohne Ziel, immer geradeaus, tief ins Innere des Waldes, aber als er am Abend endlich haltmachte, um ein Feuer zu entzünden, bemerkte er eine kleine Silhouette, die sich hastig hinter den Bäumen versteckte. Er ignorierte sie und schlief, so gut er es in der Kälte konnte, aber am Morgen war das kleine Mädchen immer noch da und folgte ihm weiter durch das Labyrinth aus Zweigen, durch Sonne und Schatten, wie ein Gewissensbiss.
Kapitel 2
Arekh streckte sich auf dem Rücken auf der Wiese aus und starrte die Sonne an, bis seine Augen schmerzten. Das Dorf, in dem er Proviant und neue Kleider gekauft hatte, war nicht fern, ein Dorf, das weder merinidisch noch sarsisch war, sondern von hellhäutigen Bauern bewohnt wurde, die
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