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Pakt der Könige

Titel: Pakt der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ange Guéro
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Leichen gesehen zu haben. Er begann wieder zu lachen, ein abgehacktes, nervöses Lachen.
    »Siehst du, Marikani!«, schrie er, ohne nachzudenken, zum Himmel, in die Leere hinauf. »Da hast du dein Wunder!« Er sah den Leichnam des Mädchens und seine blutbefleckte Haut an. »Bist du jetzt glücklich?«
    Er hätte nicht schwach werden dürfen. Mitleid zu haben und zu versuchen, die Dinge zu ändern, sorgte nur für noch mehr Tote, noch mehr Zerstörung. Hätte er das nicht mittlerweile wissen sollen?

    Er hatte auf dieser Welt noch nie etwas Gutes bewirkt. Niemand hatte je auf dieser Welt etwas Gutes bewirkt, und der Versuch, den Flug der schwarzen Vögel zu beeinflussen, vermehrte nur das Leid.
    Er drehte sich um und ging, die Kehle voller Asche, auf die Tür zu, als die Dielen hinter ihm knarrten.
    Arekh wirbelte mit gezogenem Schwert herum.
    Das kleine Mädchen stand in einer Ecke im Schatten. Es war nicht aus der Falltür hervorgekommen, sondern vom hintersten Ende des Speichers, wo es sich hinter einem Haufen leerer Fässer und verfaulter Balken versteckt hatte. Arekh starrte die Kleine mit offenem Mund schweigend an.
    »Ich bin nicht mit ihnen gegangen«, sagte sie. »Es war kein Platz mehr. Sie haben mir gesagt, ich solle hierbleiben. Dass es schon zu eng für sie wäre …«
    Sie trat einen Schritt vor, dann noch einen, mit schüchternem, verängstigtem Blick. Die Morgensonne spielte jetzt auf ihrem Haar, beleuchtete einen goldenen, zu hellen - viel zu hellen! - Schopf. Die Augen, die Arekh anstarrten, waren von einem verwaschenen Hellblau.
    Eine Sklavin. Ein kleines Mädchen vom Türkisvolk.
    Es trug Ringe um die Knöchel, aber keine Ketten.
    »Nein«, sagte Arekh brüsk, ohne nachzudenken und ohne zu wissen, welche Frage er damit beantwortete. »Nein.«
    »Bitte«, sagte das Kind; der flehentliche Tonfall ließ die Stimme fast heiser klingen. »Ihr habt gesagt, dass Ihr uns durch die feindlichen Linien bringen könnt. Ihr habt gesagt, Ihr könntet -«
    Ein ohrenbetäubendes Geräusch unterbrach die Kleine, ein Fausthieb gegen die Tür, der den Rest des Türrahmens
umstürzen ließ und einen Meriniden enthüllte, einen kleinen, dürren Mann mit kurzem braunem Bart, der den gestickten Vogel der Offiziere auf der Schulter trug. Arekh hatte ihn schon gesehen, als er durchs Tor in der Mühlenmauer wieder hereingekommen war. Der Offizier hielt das Tor mit fünfzehn Mann besetzt und hatte Arekh in seiner gestohlenen Uniform ohne Schwierigkeiten passieren lassen.
    Die Leichtigkeit, mit der sich alles abgespielt hatte, hatte Arekh ohnehin fast überrascht. Im Schatten hinter einem Mauervorsprung warten. Soldatentrupps vorbeiziehen sehen. Erst einen. Dann einen zweiten. Einem Nachzügler die Kehle durchschneiden. Sich aus der Stadt schleichen, um das Gelände zu erkunden … Auf der anderen Seite der Mauer: Lagerfeuer in der Nacht, Schatten, die sich bewegten, Trupps, die zum Nordtor liefen, Befehle der Offiziere, Pferde, die durch den Schlamm galoppierten. Ein Regiment lagerte vor dem Mühlentor, und Arekh hatte abwarten müssen, bis die Truppenbewegungen vorüber waren, um wieder in die Stadt zu gelangen.
    Und der Mann mit dem gestickten Vogel, der Hauptmann, hatte ihm kurz zugenickt.
    Er nickte jetzt wieder, nachdem er einen gleichgültigen Blick auf die Leichen geworfen hatte. Sicher hatten er und sein Trupp die Flüchtlinge getötet, das erkannte Arekh jetzt. Vielleicht hatte sogar der Hauptmann selbst das Mädchen im Wollkleid vergewaltigt und ermordet.
    »Wo kommt die her?«, fragte der Offizier knapp, indem er mit dem Kinn auf die kleine Sklavin wies.
    Er hatte die Hand auf dem Schwertgriff; seine Hose war blutverschmiert, als ob er die Klinge schon daran abgewischt hätte.

    »Ich gehöre zu ihm!«, rief das Kind, bevor Arekh auch nur den Mund öffnen konnte. »Ich bin seine Sklavin. Ich poliere ihm die Stiefel und überbringe Nachrichten.«
    Der Bärtige wandte sich Arekh zu - und der spürte, dass er weder widersprechen noch zustimmen konnte. Das Kind sah ihn mit aller Hoffnung der Welt an, aber Arekh hatte weder die Kraft, die Kleine anzunehmen, noch die, sie zu töten. Die Worte wären ihm in der Kehle stecken geblieben, wenn er etwas gesagt hätte. Die kleine Sklavin stand für zu viel - zu viele Dinge, zu viele Erinnerungen.
    Sie weder annehmen noch töten …
    »Welche Nachricht?«, fragte am Ende der Bärtige.
    »Ich muss gehen«, murmelte Arekh. »Man erwartet mich hinter der Front.«
    Er ging hinaus

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