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Pakt der Könige

Titel: Pakt der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ange Guéro
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konnte, wenn sie nicht rasch eine neue Anstellung fanden oder genug Geld hatten, um die Wüste zu durchqueren. Abgesehen vom Süden der Stadt, wo die Frauen der Nomaden in ihren goldenen Gefängnissen lebten, gab es auch kein Viertel, das einer bestimmten Volksgruppe vorbehalten gewesen wäre: Die Einwohner mischten sich in fröhlicher Unordnung und übernahmen Bräuche und Moden voneinander.
    Arekh hatte Pier keinerlei Fragen über die Verlobte
gestellt, die er für ihn gefunden hatte. Deshalb war er überrascht, als er beim Anblick des Zeichens des Einzigen Gottes über der Eingangstür begriff, dass es sich um eine Claesen handelte.
    Die Claesen waren die Einzigen in den Königreichen, die nicht zu dem Pantheon beteten, das von den drei Gründergöttern ausging. Sie hatten bizarre Bräuche, die auf dem Glauben an einen einzigen Gott beruhten, der Himmel und Erde aus einer seltsamen Ursprungsflut geschaffen haben sollte … Arekh kannte die Details ihrer Mythologie nicht und interessierte sich auch nicht weiter dafür. Die Claesen hatten ihr eigenes Leben, ihre Netzwerke, ihre Gelder. Manche ihrer Sitten, besonders die, die ihre Frauen betrafen, waren außergewöhnlich streng. Damals in der Tränenstadt hatte er sich ihrer bedient, um Druck auf den Ratsherrn Viennes auszuüben, der eine verbotene Beziehung zu einer Claesen-Witwe unterhalten hatte. Abgesehen davon hatte er noch nie Kontakt zu einer Frau von diesem Volk gehabt und auch nie Lust darauf verspürt.
    Pier betrat als Erster den Garten, und einen Moment lang fühlte Arekh sich in die Tränenstadt zurückversetzt, in den Garten der eingesperrten Frau, mit der er ein kurzes, aber erfolgreiches Gespräch geführt hatte. Die gleichen Düfte, die gleichen Pflanzen, der gleiche perfekt gepflegte Garten … Das Grün des Grases war angesichts dieses Klimas schockierend. Sicher gießen Sklaven es sechsmal am Tag , dachte er - bis ihm einfiel, dass die Claesen kaum jemals Sklaven hielten.
    Keine Götter. Keine Sklaven.
    Arekh blieb abrupt mitten im Garten stehen. Pier machte noch drei Schritte; dann wandte er sich um, und die beiden Männer tauschten einen langen Blick. Piers große
Augen funkelten vor Intelligenz, und Arekh glaubte, darin noch etwas anderes wahrzunehmen … eine gewisse Erheiterung, eine ganz leichte Herausforderung. Arekh glaubte eigentlich, dass die inneren Konflikte, die ihn zerrissen - oder vielmehr zerrissen hätten, wenn er sie nicht erstickt, zertrampelt, zum Schweigen gebracht hätte -, niemandem bekannt waren. Aber Seelen waren Piers liebstes Studienobjekt. Was mochte er aus Arekhs Schweigen geschlossen haben? Aus dem, was er nicht sagte, aus seinem Zögern, aus seiner Neigung, bei gewissen Gesprächsgegenständen wiederholt das Thema zu wechseln?
    Arekh ging weiter auf die Villa zu. Es gab Dinge, die man nicht laut aussprach. Es gab Zweifel, die man nicht in Worte fasste, Eingebungen, die man niemandem mitteilen konnte.
    In den Königreichen endeten Ketzer auf dem Scheiterhaufen.
    »Merinas Familie ist zu einem Spaziergang aufgebrochen«, sagte Pier, als sie eine kleine Tür erreichten, die von einem Käfig voller Blumen und Vögel verdeckt wurde, ganz so wie in dem Haus in der Tränenstadt. »Normalerweise darf der Freier seine Verlobte nicht sehen, bevor die Heirat beschlossen und der Brautpreis ausgezahlt ist, aber es ist mir gelungen, sie zu überzeugen, dass sie für einen gadni eine Ausnahme machen müssen.«
    »Einen gadni ?«
    »Jemanden, der nicht den wahren Glauben hat. Der die Bräuche nicht kennt. Von der Wortherkunft bedeutet es so viel wie ›Er, dessen Geist zwischen verschiedenen Gottheiten hin und her gerissen ist‹ und …« Pier setzte zu einem historischen Exkurs an, unterbrach sich aber, da er Arekh wohl ansah, dass Geschichte ungefähr das Letzte war,
wofür er sich im Moment interessierte. »Ihr seid eine gute Partie, und ich habe einen hohen Brautpreis in Aussicht gestellt - Ihr könnt ihn natürlich in Raten zahlen.«
    Er öffnete die Käfigtür, und sie traten ein; ein Dutzend kleiner, scharlachroter Vögel mit einem blauen Fleck im Gefieder flog lärmend auf.
    »Aber ich bekomme das Mädchen zu sehen, bevor ich unterschreibe?«, fragte Arekh und bemerkte, wie geschickt der Käfig mit dem Dach des Hauses verbunden war, so dass er gleichzeitig als Dekoration, als Gehege und als Eingang dienen konnte.
    »Ja, ja … natürlich. Ich habe alles ausgehandelt. Ihr dürft sie dreimal unter vier Augen treffen, bevor Ihr

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