Pakt der Könige
Stadt aufschienen, zwang er sich, langsam zu gehen und Ruhe zu bewahren. Rings um ihn hatten Soldaten ihre Posten verlassen und beobachteten das Schauspiel unter entsetztem Gemurmel und Gebeten. Schreckensschreie und Warnrufe erklangen von einem anderen Teil der Stadtmauer, der von den Faynas gehalten wurde.
»Möge Lâ mich an ihre Brust ziehen«, hauchte ein Mann neben Arekh, während unten in der Stadt ein verzweifelter Chor von Schreien zu ertönen begann. »Mit der Welt, die ich gekannt habe, geht es zu Ende. Das Dunkel, das aus dem Bösen geboren ist, verschlingt die Lande …«
Ein Soldat hinter ihnen stimmte eine Totenklage an, und Arekh wirbelte zornig herum. »Hört auf!«
Entsetztes Schweigen senkte sich über die Soldaten, und Arekh hob die Hand. »Seid Ihr Feiglinge oder Kinder, dass Ihr beim geringsten Anzeichen von Gefahr Eure Kaltblütigkeit verliert? Das sind nicht die Kreaturen!« Er war selbst
erstaunt, dass er sich dessen so sicher war. »Sie hätten nicht in jedes Gebäude eindringen können, ohne dass wir …« Er hielt inne. »Es sind die Sklaven!«, begriff er plötzlich und spürte, wie sich große Kälte in ihm ausbreitete.
Um ihn herum strafften sich die Soldaten, die ihm gelauscht hatten, während Arekh in aller Eile überlegte. Gedanken prallten in ihm aufeinander, unlogisch, ungeordnet, und einen kurzen - sehr kurzen! - Moment lang verspürte er sogar einen Anflug von Sympathie für die Aufständischen, den er glücklicherweise sofort ersticken konnte.
Ein Aufstand war weitaus gefährlicher als ein Vahar-Angriff …
Wie kämpfte man gegen einen Feind, der in der ganzen Stadt verteilt war?
»Essin«, befahl er knapp, »nehmt fünfzig Mann. Erste Priorität: der Palast. Dringt dort ein, tötet jeden Aufständischen, der Euch begegnet, treibt die Shi-Âr und die Gäste des Rats zusammen und bringt sie irgendwo in Sicherheit. Teilt Euch dann in Zehnergruppen auf, säubert das Gebäude Flügel für Flügel und schickt alle Freien, die Ihr seht, zu den Shi-Âr … Soldaten!«, rief er dann an die Männer auf der Mauer gewandt; sie drehten sich zu ihm um. »Die Sklaven proben den Aufstand!« Unten breiteten sich die Feuer und Schreie immer weiter aus, aber Arekh wusste, dass er auch unter Druck nicht übereilt handeln durfte. Wenn seine Nâlas sich ohne nachzudenken in den Kampf stürzten, würden sie das Durcheinander nur noch schlimmer machen. »Die Stadt mag brennen, aber Eure Feinde sind weder organisiert noch ausgebildet: Ihr einziger Trumpf ist das Überraschungsmoment. Bleibt zusammen, dann könnt Ihr Euch hervorragend gegen sie
verteidigen! Ihr werdet in Zehnertrupps aufbrechen und ausgehend vom Palast die ganze Stadt durchkämmen. Geht in jedes einzelne Gebäude, schickt die Überlebenden auf den Hauptplatz und tötet alle, die sich Euch entgegenstellen! Was auch geschieht, trennt Euch nicht voneinander, verfolgt sie nicht! Führt Eure Aufgabe methodisch durch!«
Die Männer des Emirs waren diszipliniert und eifrig. Sie bildeten Zehnergruppen, ohne dass Arekh sie einteilen musste, und einige Augenblicke später liefen die Soldaten schon die Treppen hinunter. Arekh schickte seine Leutnants mit denselben Befehlen nach unten, in die Baracken, in denen - wie das hektische Treiben dort zeigte - bereits Alarm geschlagen worden war. Im Süden der Stadt sah er ein Feuer erlöschen und hörte neue Schreie: Die Faynas mussten sich in den Kampf gestürzt haben. Und die Palastwachen kämpften wohl auch schon.
Arekh nahm zwanzig Mann mit, stieg die Treppen hinunter und beschloss, seinen Soldaten entgegenzugehen, indem er sich ausgehend von den Vorstädten die Hauptstraße hinaufarbeitete.
Die ersten Häuser waren leer und still, so dass Arekh sich für einen kurzen Moment fragte, ob er sich nicht alles nur eingebildet hatte. Dann erklangen Schreie aus einer brennenden Villa, und Arekh und seine Männer fanden sich in einen Strudel des Todes und der Zerstörung gerissen.
Später erinnerte sich Arekh an diesen Kampf nur noch als an eine Folge von raschen, blutigen Bildern. Menschen, die im Dunkeln kaum zu sehen waren, rannten schnell in alle Richtungen; es war fast unmöglich, Freund und Feind auseinanderzuhalten. Arekh schrie den Bewohnern der Gebäudeteile, die er betrat, zu, sich zu versammeln und ins
Freie zu kommen, unter ihren Schutz … Männer, Frauen und Kinder kamen weinend herausgelaufen. Manche waren verletzt, andere schrien, dass ihre Väter, Mütter, Ehepartner oder Kinder
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