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Pakt der Könige

Titel: Pakt der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ange Guéro
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aber in der fahlen Morgendämmerung dieses verwünschten Tages war das allen gleichgültig. Sie sind keine Könige, Hohepriester und Königinnen , dachte Arekh, zog sich einen Stuhl heran und setzte sich. Die Nacht war lang gewesen, und er war erschöpft. Sie sind Männer und Frauen, denen eiskalt und unbehaglich ist, weil ihnen Ereig nisse, die sie weder vorhersehen noch steuern können, über den Kopf gewachsen sind.
    Vor Übermüdung schloss er einen Moment lang die Augen.
    Er sah Marikani vor sich, ihr Gesicht, das sich angespannt hatte, als er eingetreten war - aber er verscheuchte das Bild.
    Ein Geräusch erklang unter dem großen Torbogen, der in den Saal führte, und Arekh richtete sich auf; der Kopf tat ihm weh. Vier Diener, die in Braun und Gelb, die Farben von Salmyra, gekleidet waren, bauten sich beiderseits des Torbogens auf.
    Die Shi-Âr traten ein; unter ihrer Schminke waren sie blass. Hinter ihnen kamen weitere Diener, die sich im Saal verteilten, daneben Pier, die Brüder Louarn, Akas und weitere Nomadenhäuptlinge. Die Delegation aus Reynes folgte, und Arekh hatte den Eindruck, dass in ihrem Gefolge ein kalter Luftzug durch den Saal strich. Ein großer, dünner Mann, der noch jung war und grausilberne Kleider trug, erschien; ihm folgten ältere Männer, die genauso gekleidet waren wie er. Arekh runzelte die Stirn.
Das war nicht der Hohepriester von Reynes - zumindest nicht der, der den Posten innegehabt hatte, als Arekh noch in Reynes für den Ratsherrn gearbeitet hatte. Außerdem trugen diese Leute Seelenlesergewänder.
    Der Mann zog sich den größten Sessel heran und setzte sich, ohne auf die Shi-Âr zu warten. Die Seelenleser blieben neben ihm stehen. Sie waren nur zu fünft, strahlten aber mehr Macht aus als alle Könige und Diener, die im Saal versammelt waren.
    Während die Shi-Âr sich niederließen, ließ der Mann in Grau und Silber den Blick durch den Saal schweifen. Seine Augen blieben nicht länger als für zwei Herzschläge auf Arekh ruhen, aber sein Blick verhärtete sich, als er bei Marikani anlangte. Die junge Frau, die noch immer mit dem Emir sprach, bemerkte seine Aufmerksamkeit zunächst nicht. Dann hob sie, wohl durch ein Gefühl aufgeschreckt, den Blick und begegnete dem des Priesters. Sie straffte sich und neigte höflich den Kopf. Arekh vermeinte, eine Mischung aus Argwohn und Trotz in ihren Augen tanzen zu sehen. Der Priester wandte den Kopf ab und besah sich die übrigen am Tisch Versammelten.
    »Wer ist das?«, fragte Arekh flüsternd seinen Nachbarn, den jüngeren Bruder Louarn.
    »Der Gesandte des Hohepriesters von Reynes«, kam es leise zurück. »Laosimba.«
    »Warum ist der Hohepriester nicht selbst hier?«, fragte Arekh. »Ich dachte, er wollte persönlich kommen?«
    »Er ist krank«, sagte der jüngere Louarn mit einer wegwerfenden Handbewegung. Das Thema interessierte ihn offensichtlich kaum. »Aber offiziell ist dieser Mann dort der Hohepriester. Dieser hat ihn seiner göttlichen Essenz teilhaftig werden lassen.«

    Kein Zweifel schwang in Louarns Stimme mit, keine Ironie, kein Erstaunen. Er sprach eine Tatsache aus. Göttliche Essenz war von einem menschlichen Wesen zum anderen weitergegeben worden. Das war eine Information, die er als Mensch und Krieger nicht anzuzweifeln hatte.
    Und noch vor sechs Monaten hätte auch Arekh es Morales nicht daran gezweifelt.
    Plötzlich verstand er. Er war nicht mehr wie die anderen. Er hatte jetzt die Wahl zwischen zwei Blickwinkeln. Wenn er Laosimba auf der anderen Seite des Tisches ansah, konnte er - wie Louarn, wie der kleine Periscas, wie Pier - einen Mann sehen, dem tiefe spirituelle Macht erteilt worden war, einen Mann, in dessen Augen die Kraft des Fîr funkelte, seines Vorfahren, des größten der Götter, einen Mann, dessen Urteil das der Mächte des Schicksals widerspiegelte.
    Oder er konnte, wie Marikani, nur einen Menschen sehen.
    Arekh war schockiert. Das war das erste Mal, dass er in Erwägung zog, dass Marikani ihm ein Geschenk gemacht und ihm nicht etwa Schaden zugefügt hatte. Das Geschenk des doppelten Blicks , dachte er mit bitterer Erheiterung. Er konnte das Universum, die Menschen, die Tatsachen aus zwei verschiedenen Blickwinkeln sehen.
    Er hatte die Wahl.
    »Wir haben Nachrichten aus dem Süden erhalten«, verkündete Shi-Âr Ranati ohne Einleitung. »Kein geglückter Aufstand. Nur Probleme in den Grenzdörfern. Als sie die Feuer gesehen haben, haben die an die Arbeitstiere geketteten Sklaven versucht zu

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