Paladin der Seelen
Aprikosenbaum im Vorhof gefunden, als ich gerade eben vorüberging.«
Liss blickte darauf. »Das sind Aprikosen. Macht eigentlich Sinn, dass Ihr sie da gefunden habt … oder nicht?« Sie zögerte.
Die Früchte waren groß und von kräftiger Farbe, mit einer feinen Röte auf der tiefgoldenen Haut. Ista beugte sich vor, um besser zu sehen, und schnupperte den süßen Duft. »Sie riechen wunderbar.«
»Ja, aber … wir haben nicht die richtige Jahreszeit. Meine Mutter hat diesen Baum bei meiner Geburt angepflanzt, und den Mandelbaum für Arhys. Ich weiß genau, wann die Früchte reifen. Ich konnte es mein Leben lang beobachten. Das ist noch Monate hin! Der Baum trägt immer noch ein paar Blüten, auch wenn die Hälfte der Zweige abgefallen ist. Diese beiden Früchte wuchsen zwischen den verbliebenen Ästen versteckt – ich habe sie nur zufällig gesehen.«
»Wie schmecken sie denn?«
»Ich habe mich nicht recht getraut, hineinzubeißen.«
Ista lächelte. »Vielleicht kommen sie zur falschen Jahreszeit, aber ich glaube nicht, dass sie ein Unglück sind. Vielleicht sind sie ein Geschenk. Es wird schon seine Richtigkeit haben.« Mit einem Fuß stieß sie die Tür zum hinteren Zimmer auf. »Kommt mit. Lasst uns davon kosten.«
»Äh …«, meldete Liss sich zu Wort. »Ich kann in Sichtweite bleiben, wenn Ihr die Tür offen lasst. Doch ich glaube nicht, dass ich außer Hörweite kommen kann.«
Mit einer Kopfbewegung schickte Ista Illvin durch die Verbindungstür. »Entschuldige uns bitte einen Augenblick.«
Er lächelte, nickte würdevoll und ging in den Nebenraum. Ista schloss die Tür hinter ihm und wandte sich dann Liss zu. »Ich nehme an, ich habe dir noch nicht diese anderen Regeln für diskrete Zofen erklärt …«
Das tat sie dann, mit deutlichen, aber höflichen Worten. Liss’ Augen glänzten so hell wie die Sterne draußen am Himmel, während sie aufmerksam zuhörte. Ista war erleichtert, wenn auch nicht überrascht, als Liss weder verwirrt noch schockiert wirkte. Allerdings hätte sie nicht gleich Begeisterung erwartet. Unversehens fand sie sich durch die Tür geschoben, die hinter ihr geschlossen wurde, kaum dass sie geendet hatte.
»Ich glaube, ich setze mich ein Weilchen auf die Stufen, liebe Königin.« Liss’ Stimme drang gedämpft durch das Holz. »Es ist kühler draußen. Ich werde ziemlich lange dort sitzen, nehme ich an.« Ista hörte, wie auch die Außentür zufiel.
Illvin hatte Lachfältchen um die Augen. Er hielt ihr eine der Früchte entgegen. Ista nahm sie, und ihre Hand zuckte ein wenig, als die Finger versehentlich über seine strichen. »Nun«, sagte er und führte die Aprikose zum Mund. »Dann wollen wir beide mal mutig sein …«
Sie biss gleichzeitig mit ihm ab. Die Aprikose schmeckte so wunderbar, wie sie aussah, und obwohl Ista sich um Anmut bemühte, tropfte ihr am Ende doch der Saft vom Kinn. Sie tupfte daran herum. »Oh, du meine Güte …«
»Wartet«, sagte er und kam näher heran. »Lass mich helfen.«
Der Kuss währte sehr lange, und dabei spielten seine nach Aprikose duftenden Finger angenehm in ihrem Haar. Als sie innehielten und Atem holten, sagte Ista: »Ich habe stets befürchtet, dass göttlicher Beistand nötig wäre, um mir einen Liebhaber zu verschaffen … Ich nehme an, ich hatte Recht.«
»Na, na, schaut Euch an, bitter-süße Ista. Heilige, Zauberin, Königinwitwe von ganz Chalion-Ibra, die mit den Göttern spricht, wenn sie nicht gerade auf sie flucht – ein Mann müsste schon sehr wagemutig sein, von Euch auch nur so unhöflich zu denken. Das ist gut. Es wird die Zahl meiner Rivalen in Grenzen halten.«
Ista musste kichern. Sie hörte sich selbst und lachte laut. Verblüfft, erfreut und maßlos überrascht, schwelgte sie in diesem Lachen.
Und ich hatte schon Angst, ich wüsste nicht, wie ich das anfangen sollte …
Er sah groß aus, und großartig, in seiner wallenden schwarzen Tunika, der Hose und den Stiefeln. Doch noch besser, dachte sie und zog ihn neben sich aufs Bett, würde er ohne diese Sachen aussehen. In dieser warmen Nacht brauchte man keine Decken. Ista ließ einen Kerzenleuchter brennen, um die Gaben der Götter besser betrachten zu können.
ENDE
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