Palazzo der Liebe
höchstens fünf Zentimeter über dem Fußboden lag, gab es nur einen Platz, wo sich jemand verbergen konnte – im Kleiderschrank. Während Sophia energisch darauf zuging und die Türen aufriss, kam sie sich schrecklich albern vor. Trotzdem erleichterte es sie sehr, dort nichts anderes als ihre gewohnte Kleidung und die zugehörigen Accessoires zu finden.
Erneut schaute sie zu ihrer Schmuckschatulle. Plötzlich kam ihr der Gedanke, dass sie in Form und Größe durchaus dem Paket glich, das ihr Vater, laut Mrs. Caldwell, von dem geheimnisvollen Besucher erhalten hatte.
Vielleicht hatte er es telefonisch bei ihm bestellt? Aber ein Bote, der offenbar nicht nur Italiener war, sondern seine Ware auch noch per Taxi auslieferte?
Unfähig, das Rätsel auf die Schnelle zu lösen, wandte sie ihre Gedanken wieder dem möglichen Einbrecher zu. Gut, die Schatulle stand noch an ihrem Platz, aber der Inhalt? Bei dem meisten Stücken handelte es sich um einfachen Modeschmuck, nur etwas schlichter Goldschmuck und der Siegelring ihres Vaters besaßen einen gewissen Wert. Doch ein Blick verriet ihr, dass nichts fehlte, und langsam fragte Sophia sich, ob sie die Geschichte mit dem möglichen Dieb nicht ihrer lebhaften Fantasie zuschreiben musste.
Und die Vorhänge?
Vielleicht hatte sie sie selbst zugezogen, ohne es zu merken, in Gedanken bei dem blonden Fremden. Am besten, sie versuchte, das Ganze so schnell wie möglich zu vergessen. Immerhin fehlte nichts.
Als Sophia anfing, sich bettfertig zu machen, fiel ihr Blick zufällig auf die Kommodenschublade, in der sie ihre Unterwäsche aufbewahrte. Etwas, das wie ein Perlonstrumpf aussah, lugte aus einem Spalt hervor, und als sie die Lade aufzog, betrachtete sie mit gerunzelter Stirn eine ihrer Seidenstrumpfhosen, die unerklärlicherweise auf, anstatt in der dafür vorgesehenen Schutzhülle lag.
Diesmal standen ihr sogar die Härchen auf den Armen zu Berge, denn das konnte weder von allein passiert sein noch hatte sie es selbst getan. Eine rasche Kontrolle der anderen Schubladen überzeugte sie davon, dass ihre Sachen, wenn auch sehr behutsam, durchsucht worden waren.
Aber wie war der Eindringling hereingekommen? Und wonach hatte er gesucht?
Sophia duschte, putzte sich die Zähne und schlüpfte in ihr Nachthemd; dabei grübelte sie ununterbrochen über diesem unlösbaren Problem, ohne zu einem Ergebnis zu kommen. Und als sie endlich in ihrem Bett lag, schob sie es energisch zur Seite.
Stattdessen dachte sie an die überraschende Begegnung mit dem attraktiven Fremden, der ihrem Lieblingsporträt so unglaublich ähnlich sah. Der freudige Schock seines unerwarteten Anblicks war kurz darauf einem sehnsüchtigen schmerzlichen Gefühl gewichen.
Aber einseitige Anziehung führte zu keinem guten Ende, und mehr gab es da leider nicht. Andernfalls hätte er nicht so leichtherzig aus ihrem Leben gehen können. Also musste sie versuchen, ihn so schnell wie möglich zu vergessen.
Leichter gesagt als getan, mit seinem Porträt vor Augen.
Sophia streckte die Hand aus und löschte das Licht auf dem Nachttisch. Doch ihn einfach aus ihrem Sichtfeld zu verbannen, garantierte noch lange keine ruhige Nacht, wie sie bald feststellte.
Als sie morgens erwachte, fühlte sie sich wie gerädert. Und ein träger Seitenblick zur Uhr verriet ihr, dass sie zum ersten Mal in ihrem Leben verschlafen hatte.
So schnell wie möglich machte sie sich fertig, schlüpfte in ihr dunkles Businesskostüm, steckte ihr Haar hoch und legte ein dezentes Make-up auf. Bereits mit einem Arm im Mantelärmel, trank sie noch rasch einen Schluck Instantkaffee und machte sich auf den Weg in die Galerie .
Obwohl sie den Weg fast im Dauerlauf zurücklegte, stieß sie die schwere Rauchglastür zur Galerie mit einer halben Stunde Verspätung auf. Das elegante Interieur, in schlichtem Weiß und Gold gehalten, mit wenigen dunkelgrünen Akzenten und der gewundenen Treppe, die in die zweite Etage führte, machte A Volonté auch neben den Bildern zu einer wahren Augenweide.
Auf dem Weg zum Mitarbeiterraum sah Sophia zur Balkonbrüstung und den ersten Besuchern hinauf, die sich bereits die Ausstellung ihres Vaters anschauten. Besonders ein Paar, das mit dem Rücken zu ihr stand, erweckte ihre Aufmerksamkeit. Neben einem hochgewachsenen, hellhaarigen Mann stand eine zierliche Frau, das lackschwarze Haar zu einem exakten Bob geschnitten. Beide betrachteten fasziniert die Miniaturen.
Nachdem sie ihren Mantel weggehängt und sich bei
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