Palazzo der Liebe
Sprache.
Jetzt ging ihr hitziges Temperament endgültig mit der Marchesa durch.
„ Santo cielo! Langsam habe ich es satt, immer erklärt zu bekommen, was ich tun und lassen soll! Du solltest lieber auf meiner Seite sein, als diesem unverschämten jungen Ding …“
Er unterbrach ihren Redefluss, indem er einen Finger auf ihre kirschroten Lippen legte. „Es ist durchaus möglich, dass die Signorina Italienisch spricht“, warnte er. „Sie ist …“
„Ich weiß genau, was sie ist! Ein kleines Nichts, das sich nur wichtig machen will! Aber sie macht einen großen Fehler, wenn sie denkt …“
„ Cara, ich glaube, den großen Fehler machst du gerade. Beruhige dich erst einmal und …“
„Ich pfeife auf deine Ratschläge!“, giftete die Marchesa.
Resigniert hob er die breiten Schultern. „Also gut.“
Obwohl er absolut ruhig und gelassen klang, schwenkte die schwarzhaarige Schönheit augenblicklich um. „Stefano, caro, es tut mir leid“, gurrte sie, plötzlich zahm wie ein Täubchen. „Ich hätte dich nicht so anfahren dürfen. Bitte vergib mir …“ Verblüfft registrierte Sophia, dass in ihren großen Augen Tränen schimmerten.
Und als sie sah, wie sich die harten Züge des Mannes entspannten, zog sich ihr Magen schmerzhaft zusammen. Ob die schöne Marchesa seine Ehefrau war?
Und selbst wenn nicht, war sie offensichtlich seine amante, anders ließ sich die sichtbare Intimität zwischen den beiden wohl kaum erklären … die besitzergreifende Geste, mit der sie ihre beringten, rot lackierten Krallen auf seinen Unterarm legte.
„Bitte, sag mir, was ich tun soll“, murmelte sie jetzt mit sanfter Stimme.
„Ich schlage vor, du entschuldigst dich zunächst bei der Signorina und gibst ihr die Miniatur zurück.“
„ Entschuldigen? Aber Stefano …“
„Ich halte es für mehr als angebracht“, erklärte er kühl.
Nach kurzem Zögern sah die Marchesa Sophia an, drückte ihr die Miniatur in die Hand und murmelte auf Englisch eine kaum verständliche Entschuldigung.
„Schon gut“, versicherte Sophia lächelnd.
„Wenn ich es richtig verstanden habe, lebt der Künstler nicht mehr?“, fragte sie anschließend, offensichtlich noch lange nicht besänftigt.
„Nein, leider ist er im März verstorben.“
„Vielleicht können Sie mir verraten, wer ihm für dieses Miniatur Modell gesessen hat, und vor allen Dingen, wann das Bild entstanden ist?“
„Ich bedaure.“
„Dann geben Sie mir den Katalog, damit ich selbst nachschauen kann.“
Gelassen kam Sophia ihrer Forderung nach. „Die Miniatur finden Sie auf Seite zwölf“, erklärte sie zuvorkommend. „Aber dort steht nur der Titel Porträt einer Dame im vene zianischen Karneval .“
Verärgert warf die Marchesa den Katalog zurück auf den Schreibtisch. „Ich habe genug Zeit verschwendet! Ich möchte diese Miniatur kaufen und …“
„Verzeihung, wie ich bereits erklärte, ist sie unverkäuflich.“
„Jetzt habe ich wirklich genug von Ihrer Impertinenz!“, fuhr die Marchesa auf. Der Mann, den sie Stefano nannte, berührte warnend ihren Arm, aber sie schüttelte ihn gereizt ab. „Ich bestehe darauf, den Eigentümer der Galerie zu sprechen oder sonst jemanden, der autorisiert ist …“
„Kein Problem“, unterbrach Sophia sie ruhig und griff zum Hörer. „Könntest du bitte kurz zu meinem Schreibtisch kommen?“, bat sie David, als er sich meldete.
„Probleme?“, fragte dieser, alarmiert von ihrem Ton.
„Ich befürchte … ja.“ Damit legte sie auf und wappnete sich gegen den Sturm, der offensichtlich kurz vor dem Ausbruch stand.
„Sie haben allen Grund, ängstlich auszusehen“, interpretierte die Marchesa Sophias stoische Miene völlig fehl. „Wenn Sie glauben, mit Ihrem ungeheuerlichen Verhalten mir gegenüber so einfach davonzukommen, täuschen Sie sich schwer! Ich werde dafür sorgen, dass Sie Ihren Job verlieren und …“
„Das reicht, Gina. Du machst dich langsam lächerlich.“ Anscheinend besaß der Mann an ihrer Seite das Talent, ihr gegenüber den richtigen Ton anzuschlagen, denn obwohl er seine Stimme nicht einmal erhob, senkte die Marchesa augenblicklich den Kopf und biss sich auf die Unterlippe.
Exakt in diesem Moment tauchte David auf, wie immer eine makellose Erscheinung, mit einer cremefarbenen Nelke im Knopfloch seines maßgeschneiderten Anzugs und einem gewinnenden Lächeln auf den Lippen. Er war mittelgroß, sehr schlank, ein eleganter Junggeselle in den Fünfzigern und ein Kunstkenner und –
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