Palazzo der Liebe
Küchenecke aufgeräumt hatte, spielten sie noch eine Runde Cribbage und tranken die Flasche Rioja aus. Als Sophia zufällig auf die Uhr sah, war es bereits nach elf.
„Lieber Himmel! Sie sollten längst im Bett sein!“
Mrs. Caldwell protestierte nur halbherzig, und mit ihren überschwänglichen Dankestiraden im Ohr ging Sophia über den Flur zu ihrer Wohnung, schloss die Tür auf und knipste das Licht an.
Als Erstes bemerkte sie das Schlüsselbund, das halb unter dem Küchentisch lag. Sie musste es beim Abstellen der Einkäufe heruntergeworfen haben. Sophia bückte sich, um es aufzuheben. Plötzlich spürte sie ein unbehagliches Kribbeln. Langsam richtete sie sich wieder auf und schaute um sich.
Alles schien in Ordnung und an seinem Platz zu sein. Doch ein sechster Sinn sagte ihr, dass etwas nicht stimmte. Aber was?
Immer noch zutiefst beunruhigt, verstaute sie das Schlüsselbund in ihrer Handtasche, wo es hingehörte, und legte die Ersatzschlüssel zurück ins Sideboard. Dabei glitt ihr Blick unablässig durch den Raum.
Jetzt sah sie es! Vor den Fenstern, die zur Straße hinausgingen, waren die Vorhänge zugezogen. Dabei wusste Sophia genau, dass sie sie nicht angerührt hatte.
In ihrem Nacken stellten sich die feinen Härchen auf, während ihre Gedanken sich überschlugen. Jemand musste in ihrer Wohnung gewesen sein, während sie Mrs. Caldwell bekocht hatte.
Ein Einbrecher? Nur, wie war er hereingekommen?
Die Hintertür verriegelte ein festes Schloss und wurde seit Ewigkeiten nicht benutzt, und vorn kam man nur ins Haus, wenn man klingelte oder einen Schlüssel besaß. Dennoch bestand nicht der leiseste Zweifel daran, dass jemand hier eingedrungen war. Vielleicht hielt er sich sogar noch immer in der Wohnung auf?
Allein die Vorstellung ließ Sophia schaudern. Tapfer gab sie sich einen Ruck, stieß mit der einen Hand die Badezimmertür auf, während sie mit der anderen gleichzeitig auf den Lichtschalter drückte. Ein Blick reichte, um sicherzugehen, dass sich hier niemand verbarg.
Dann öffnete sie die Tür zum Atelier ihres Vaters, sog unwillkürlich den vertrauten Geruch von Ölfarben und Terpentin ein, der immer noch in der Luft hing, und schaute sich um. Doch abgesehen von der Staffelei und den unbenutzten Leinwänden, die an einer Wand lehnten, der Ansammlung von Pinseln, Spachteln, Farben und Malpaletten auf den alten Regalen war der Raum leer.
Auch im Schlafzimmer ihres Vaters entdeckte sie keinen Eindringling. Es sah noch genauso aus, wie er es verlassen hatte. Irgendwann in nächster Zukunft musste sie seine privaten Papiere ordnen und die Kleidung aussortieren und dem Roten Kreuz übergeben, aber bis jetzt hatte sich Sophia dazu noch nicht aufraffen können.
Einzig ihr Geburtstagsgeschenk hatte sie aus diesem Zimmer genommen. Ihr Vater bewahrte es zusammen mit einigen Briefen in seinem Schreibtisch auf. Obwohl nicht größer als ein Schuhkarton, wog das Päckchen, in schlichtes Goldpapier eingewickelt und mit einem kleinen gedruckten Glückwunschkärtchen versehen, überraschend viel.
Für Sophia, mit all meiner Liebe. Herzlichen Glückwunsch zu Deinem fünfundzwanzigsten Geburtstag.
Als sie das las, strömten Tränen über ihre Wangen. Sobald sie sich wieder gefasst hatte, entfernte Sophia mit zitternden Fingern das Papier und hielt die wunderschöne Schmuckschatulle aus dunklem Ebenholz in den Händen, die ihrem geheimnisvollen Besucher auf den ersten Blick aufgefallen war.
Sie wirkte wie eine Miniaturschatztruhe. Den gewölbten Deckel zierte eine Schnitzerei, die an ein Tierkreiszeichen erinnerte, und als Sophia sie genauer untersuchte, stellte sie fest, dass es sich um Fische handelte, also ihr eigenes Sternzeichen. Und darunter tanzten zwei Seepferdchen auf einer bewegten Welle, eines mit einem fröhlichen Ausdruck, das andere voller Melancholie. Ein perfektes Abbild der zwiegespaltenen Persönlichkeit aus ansteckender Heiterkeit und emotionaler Tiefe, die man den Fischen zuschrieb.
Wenn die Schatulle nun gestohlen worden war? Sophia stockte der Atem.
Ohne einen weiteren Gedanken an einen möglichen Eindringling zu verschwenden, eilte sie in ihr eigenes Schlafzimmer, knipste das Licht an und atmete erleichtert auf, als sie ihren kostbarsten Schatz dort stehen sah, wo er hingehörte. Auf ihrer Frisierkommode.
Doch in der nächsten Sekunde versteifte sie sich. Obwohl niemand außer ihr im Raum war, verspürte sie das verstörende Gefühl, nicht allein zu sein.
Da ihr Bett
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