Palazzo der Lüste
im Kamin. Der Tisch in der Mitte des Raumes war für sechs Personen gedeckt. Cecilia mutete es festlich an, dass mehrere brennende Kandelaber und kunstvolle Blumengestecke auf dem Tisch standen. Für jeden Teilnehmer gab es drei Gläser aus funkelndem Kristall und ebenso viele Bestecke.
Bei ihrem Eintritt erhoben sich die Anwesenden, drei junge Stutzer und eine Frau – Nicolòs Mutter! Cecilia hatte nur Augen für sie. Sie glich ganz und gar nicht der Matrone, die sie sich vorgestellt hatte, Denn sie war klein, zierlich und der Inbegriff einer Rokokodame. Das hellbraune Haar war zu einer Lockenfrisur aufgetürmt. Sie trug ein rosafarbenes Kleid, das ihre schmale Taille betonte. Obwohl sie Mitte oder Ende vierzig sein musste, sah sie aber kaum älter aus als Ende dreißig. Strahlend wandte sie sich ihrem Sohn und seinem Gast zu. Sie eilte ihnen sogar entgegen. Vor ihrer schillernden Erscheinung rückten die Männer ganz und gar in den Hintergrund und erschienen Cecilia nur als gesichtslose Staffage.
»Liebste Cousine, ich bin froh, dass es Ihnen wieder besser geht.« Sie ergriff Cecilias Hände, als wären sie seit Jahren beste Freundinnen.
Cecilias Herzklopfen ließ nach. »Es war nur die Anstrengung der Reise, jetzt geht es mir wieder gut.«
»Von Alexandria, Liebste, das ist nicht anders zu erwarten. Und mein schlimmer Sohn versteckt Sie tagelang im Haus ohne weiblichen Beistand. Das sieht ihm ähnlich, dass er nicht ein bisschen an Sie denkt.«Sie drohte Nicolò scherzhaft mit dem Finger.
»Er hat dafür gesorgt, dass es mir an nichts fehlt.« Cecilia störte es, über Nicolò zu reden, als wäre er nicht anwesend. Ihm schien es nichts auszumachen, er lächelte unergründlich.
»Das ist unsere Cousine Cecilia Capelli und dies meine Mutter Nobildonna Sofia Julia Capelli.«
Sie neigte den Kopf vor seiner Mutter und spürte sofort Nicolòs heißen Atem neben ihrem Ohr. »Eine Capelli verneigt sich nur vor dem Dogen und niemandem sonst,« zischte er ihr ins Ohr.
Der erste Fehler. Sie hatte erst zwei Sätze gesagt und schon etwas falsch gemacht. Das klappte nie, jeden Tag würde sie hundert Fehler machen. Am liebsten hätte sie sich umgedreht und wäre zurück in ihr Zimmer geflohen. Nicolò verhinderte das, indem er sie unterhakte.
»Kopf hoch und nicht feige sein«, raunte er und berührte mit den Lippen kurz ihr Ohrläppchen.
Er nannte auch die Namen seiner drei Freunde: Raimondo di Marco Vianol, Piero di Cornelio Rossi San Marcuolo und Tommaso di Lorenzo Gonzaga San Vidal.
Die Gesichter der jungen Männer tauchten vor ihr auf und verschwanden wieder. Im Gedächtnis blieb ihr nur, dass keiner der drei aussah, als hätte er ein angenehmes Wesen. Alle machten den Eindruck, ihr Leben in vollen Zügen zu genießen. Der freundlichste schien ihr Gonzaga San Vidal zu sein, er sah nicht ganz so verlebt aus wie die anderen, und lächelte ihr offen entgegen, während die anderen beiden ihren Körper taxierten.
Bei Tisch saß Nicolò an der Stirnseite, ihm zur Rechten Cecilia und daneben seine Mutter. Darüber war sie froh, sie hätte nicht gerne neben Rossi San Marcuola sitzen mögen, es reichte, dass dieser ihr gegenüber Platz gefunden hatte.
Jeder hatte einen Diener hinter seinem Stuhl stehen, der sich um alle Bedürfnisse des ihm Anvertrauten kümmerte. Die verschiedenen Gänge des Essens zogen an Cecilia vorbei, ohne dass sie sagen konnte, was sie zu sich genommen hatte. Sie kostete von allem ein paar Bissen, war aber zu angespannt, um das Essen wirklich zu genießen – wie anders war es doch als das Essen vor ein paar Tagen im »Da Riva«.
Sie beantwortete die Fragen der anderen nach ihrem Leben in Alexandria, und nachdem sie sich daran gewöhnt hatte, Flunkereien zum Besten zu geben, begann die Sache ihr Spaß zu machen. Sie plauderte zwangloser, erfand Details und hatte die ganze Zeit Bilder von orientalischen Souks vor Augen, wie sie in den Katalogen der Reiseveranstalter Touristen lockten.
»Wir haben mitten im ältesten Viertel von Alexandria gewohnt, dort, wo die legendäre Bibliothek stand.« Sie warf Nicolò einen mutwilligen Blick zu.
Er hatte erstaunt die Brauen hochgezogen und gab ihr mit den Augen einen Wink, es nicht zu übertreiben. Na warte!
»Wir hatten auch ein sehr altes Manuskript zu Hause. Mein Mann war der Meinung, es stammte aus dem legendären Bestand.«
»Wie interessant. Was war das für ein Buch?«, wollte Gonzaga wissen,
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