Palazzo der Lüste
Cecilias ohnehin schon lockiges Haar mit noch mehr Locken.
»Sind das nicht zu viele?«, fragte Cecilia. Sie hatte das Gefühl, sie würde nachher aussehen, als wäre sie in einen Bottich mit Dauerwellenflüssigkeit gefallen. Dabei wollte sie heute Abend besonders gut aussehen. Nicht wegen Nicolò – warum auch, er hatte sie heute Nachmittag ständig wegen ihrer Ausdrucksweise getadelt und sie sogar bäuerisch genannt, dabei hatte sie nur etwas wie »überflüssiger Krempel« gesagt, und das war ja auch wahr. Mit keinen Wort und keinem Blick hatte er zu verstehen gegeben, dass er ihre leidenschaftlichen Spiele genossen hatte, dass er sich überhaupt daran erinnerte. Er war arrogant und hatte es nicht verdient, dass sie sich seinetwegen Mühe gab. Sie wollte es für sich – in dieser Zeit, in der es keine Dusche gab und Wasser offenbar nur für Tiere zum Trinken da war, aber nicht zum Waschen, war eine sorgfältige Toilette etwas, an dem sie sich festhalten konnte. Außerdem waren Capellis Freunde immer noch im Haus, alles junge Männer – bestimmt hatte einer davon ein angenehmeres Wesen als der Hausherr.
»Signora, wenn ich sie á la Sappho frisieren soll, muss das so sein. Sie werden bezaubernd aussehen, alle werden nur Augen für Sie haben.«
»Stecke sie doch einfach hoch und zupfe ein paar Strähnen raus, damit sie mir weich ins Gesicht fallen.« Das war die Frisur, die sie üblicherweise trug, wenn sie ausging. Cecilia hob die Haare an und zeigte ihrer Zofe, was sie meinte.
»No, no, no, das geht nicht. Das sieht aus wie eine … eine …« Gianna hatte sehr entschieden angefangen, suchte aber jetzt verzweifelt nach einem Wort. Einem, das ihre Herrin nicht beleidigte.
Kokotte, kam Cecilia in den Sinn. »Frisiere mich á la Sappho«, gab sie nach.
Freudestrahlend setzte Gianna ihr Werk fort. Am Ende schaute Cecilia eine fremde, aber reizvolle Frau aus dem Spiegel entgegen.
Die Zofe wandte sich ihrem Gesicht zu, trug als erstes mit einem Schwämmchen eine pflegende Mandelpaste auf. Das sollte die Haut zart und rein machen.
Cecilia strich sich mit den Fingerspitzen über die Wangen. Die Haut lud ein zu sanften Berührungen.
»Ihr Stern wird heller strahlen als die am Himmel.« Gianna trug noch mehr Cremes auf, klopfte sie sanft in die Haut ein, bevor sie zu den Schminktöpfen griff. Großzügig wollte sie Rouge auf Cecilias Wangen verteilen.
»Nicht so viel davon.«
Bei den Haaren durfte keine vorwitzige Strähne das Gesicht umrahmen, aber Rouge wurde benutzt, als wäre man in den Farbtopf gefallen. Merkwürdige Mode. Cecilia nahm ihrer Zofe den Tiegel aus den Händen und schminkte sich lieber selbst.
Schließlich überzog eine sanfte Röte ihre Wangen und gab ihr das Aussehen einer erblühenden Jungfrau.
»Noch ein Schönheitspflästerchen auf den linken Mundwinkel, Signora.« Gianna hielt ihr einen winzigen Stern aus schwarzer Seide hin.
Bisher hatte Cecilia die Schönheitspflästerchen immer als allzu geziert abgelehnt, heute nickte sie. Geschickt platzierte die Zofe den Stern in ihrem linken Mundwinkel. Die schön geschwungenen Lippen wurden dadurch betont. Cecilia lächelte ihrem Spiegelbild zu.
Ein Kratzen an der Tür zeigte an, dass jemand Einlass begehrte. Gianna lief hin und öffnete die Tür. Im Spiegel sah Cecilia Nicolò eintreten, und ihre Zofe knicksen. Er übersah das Mädchen, seine ganze Aufmerksamkeit war auf sie gerichtet, als wäre sie sein Eigentum.
Das war sie nicht. Das würde sie ihm zeigen. Betont hochmütig nickte sie ihm zu und ahnte nicht, wie betörend die zarte Linie ihres Halses dabei aussah. Nicolò sah es. Diese wilde Katze. Ihm würde schon etwas einfallen, um sie heute Abend zu zähmen.
»Signora, ich bin überwältigt. Ihre Schönheit überstrahlt alles Vorstellbare. Mir fehlen die Worte.« Mit Schmeichelei würde er zunächst den Boden bereiten. Frauen waren so leicht zu behandeln.
»Das bestimmt nicht.« Cecilia stand auf. Dafür, dass ihm angeblich die Worte fehlten, drückte er sich immer noch sehr gewählt aus. Sie hatte noch nie einen Mann getroffen, der derart eloquent war.
Er ergriff ihre beiden Hände und zog sie an seine Lippen. Ein Wonneschauer rieselte durch ihren Leib. Gianna huschte aus dem Zimmer. Das Alleinsein nutzte er sofort aus und drückte Küsse auf ihr wogendes Dekolleté. Sie wollte ihn von sich stoßen, aber er hielt sie fest umfangen.
Schließlich ließ er sie los.
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