Palazzo der Lüste
sah dabei aus, als hätte er die Frage nur gestellt, um das Wort an sie zu richten, nicht weil ihn die Antwort interessierte.
Cecilia war nicht mehr zu bremsen. »Ich konnte es nicht lesen, es war griechisch. Mein Mann hat mir erzählt, es wären Reisebeschreibungen von Hesiod.«
»Haben Sie das Buch mitgebracht?«
Nicht einmal durch diese provokante Frage Nicolòs ließ sie sich aus der Ruhe bringen. »Ich habe es dem besten Freund meines Mannes gegeben. Er ist auch ein Liebhaber alter Sachen, und bei ihm ist es gut aufgehoben.«
Die Diener servierten den nächsten Gang, und das Gespräch wandte sich anderen Themen zu.
Nicolòs Mutter unterhielt die Gesellschaft mit flatterhaftem leichtem Geplauder und erstickte alle Ansätze der Männer, von der Jagd auf Hirsche und Wildschweine zu erzählen, im Keim.
Der Abend schritt fort. Die Dämmerung brach heran, und das Essen näherte sich seinem Ende. Die Gespräche drehten sich inzwischen darum, wer in Venedigs feiner Gesellschaft gerade von sich reden machte. Von den Männern beteiligte sich am eifrigsten Vianol und Rossi an dem Tratsch, während Nicolò und Gonzaga so gut wie nichts sagten.
Schließlich gab Donna Sofia den Dienern ein Zeichen, die Tafel abzuräumen. Danach brachte einer von ihnen eine Karaffe und vier Cognacgläser.
Nicolòs Mutter erhob sich. »Kommen Sie, meine Liebe, lassen wir die Männer mit dem Cognac und ihren Jagdgeschichten alleine und ziehen uns in den Salon zu einer kleinen Plauderei unter Freundinnen zurück.«
Cecilia warf Nicolò einen flehentlichen Blick zu, aber er schaute sie nicht an, der Schuft. Das war seine Rache für ihre Flunkerei.
*** Der Salon neben dem Esszimmer hatte ungefähr die gleiche Größe wie ihrer im ersten Stock. Er war vollgestellt mit zierlichen Möbeln, Schränken, Sekretären, Tischen, Stühlen, Diwane und Fauteuils. Wie im Esszimmer brannte auch hier ein Feuer im Kamin, und auf einem der Tische stand ein Kandelaber mit brennenden Kerzen, vom Boden bis zur Decke reichende Türen führten auf die Terrasse hinaus. Der Raum strahlte eine intime Atmosphäre aus. Gerade richtig für ein Gespräch unter Frauen, dachte Cecilia unbehaglich. Ein Diener stellte ein Tablett mit einer Karaffe und Gläsern ab, bevor er sich nach einer Verneigung zurückzog.
»Ich bin so froh, dass Sie da sind, liebste Cousine.« Donna Sofia ließ sich in einen Sessel fallen und lehnte sich entspannt zurück. »Sie erlauben, dass ich es mir bequem mache, wir sind ja eine Familie. Bisher habe ich immer alleine hier sitzen müssen, bis die Männer mit dem Cognac fertig waren und wieder zu mir gekommen sind.«
Cecilia fragte sich, was die Leute im achtzehnten Jahrhundert abends überhaupt machten. Es gab kein Fernsehen, kein Radio, man konnte keine DVDs leihen. Laut sagte sie: »Die Männer haben Sie bestimmt nicht lange warten lassen.«
»Bei meinem schlimmen Sohn weiß man nie, was er vorhat. Einmal habe ich die halbe Nacht hier gesessen und bin schließlich nach oben gegangen, ohne die Männer noch einmal gesehen zu haben.« Sie zog eine Schnute, die sie nur noch reizender aussehen ließ.
»Das glaube ich nicht.«
»Es war so.« Nicolòs Mutter strich sich eine Locke aus der Stirn.
Cecilia hätte gern gewusst, wie alt die Venezianerin wirklich war. Es war aber unmöglich, direkt zu fragen. Sie schenkte deshalb etwas von dem Likör aus der Karaffe in die beiden Gläser.
»Im Allgemeinen lassen sie mich nicht lange warten, das stimmt.« Nicolòs Mutter nippte an ihrem Getränk.
Cecilia roch erst vorsichtig an ihrem Glas. Es roch süß, und so schmeckte der Likör auch. Kakao zu bitter, Likör zu süß – sie nahm nur einen Schluck und stellte ihr Glas zurück auf den Tisch.
Die andre tat es ihr nach. »Zu süß das Zeug. Aber es gehört sich nicht, dass eine Frau Cognac trinkt. Dabei schmeckt der viel besser.« Donna Sofia verdrehte die Augen. »Ganz Venedig würde darüber klatschen, wenn ich den Damen nach einem Essen Cognac servieren ließe.«
»Wer würde davon erfahren?« Cecilia wäre Cognac auch lieber gewesen.
»Alle.«
»Ich meine jetzt, wenn wir beide …«
»Auch alle. Die Diener werden es ausplaudern. Vor ihnen können wir nichts geheim halten. Sind die Diener in Alexandria anders, meine Liebe?«
Erwischt. Cecilia druckste herum, biss sich auf die Unterlippe. »Äh … ja … nein …«
Wie waren Diener überhaupt? Sie fühlte, wie sie
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