Palazzo der Lüste
»Lassen Sie uns hinuntergehen, ehe ich meine guten Vorsätze vergesse und Sie gleich hier verführe.«
»Sie werden mich überhaupt nicht verführen. Ich bin keine von den Frauen, die nur zu ihrem Vergnügen da sind.« Sie funkelte ihn an.
»Nein, Sie sind da, damit ich meine Wette gewinne und eine partie libertin.«
Das war wirklich zu arg. Wenn es nicht kindisch gewesen wäre, hätte sie am liebsten mit dem Fuß aufgestampft. »Ich bin da, weil … weil … es im Moment nicht anders geht. Und das mit der Wette, das werden wir noch sehen.«
»Zeigen Sie sportlichen Ehrgeiz.«
»Fürchten Sie um ihre Villa, Signore Capelli?« Es gelang ihr, ihrer Stimme einen unschuldigen Ton zu verleihen.
»Nicht doch. Ich habe noch ein Gut auf der Terraferma und Beteiligungen an verschiedenen Handelshäusern, Zinseinkünfte und … und … und …« Er grinste sie an. »Sind Sie beruhigt? Dann können wir hinuntergehen.«
»Ja, wirklich, ich bin sehr hungrig«, und um ihn in seine Schranken zu weisen, fügte sie hinzu, »auf ein richtiges Essen.«
»Touché, Signora«, erwiderte er lachend.
Er bot ihr den Arm, und gemeinsam verließen sie ihre Zimmerflucht.
»Ich habe den anderen bereits gesagt, dass Sie da sind. Sie sind vor ein paar Tagen angekommen, haben aber bisher unter einem Fieber gelitten und konnten niemanden empfangen.«
So war es abgesprochen. Cecilia raffte ihren Rock, als sie die breite Treppe ins Erdgeschoss hinunterstiegen. Behutsam setzte sie einen Fuß vor den anderen und musste sich konzentrieren, um elegant zu schreiten und nicht über ihre Röcke zu stolpern.
»Ihren Freunden haben Sie es gesagt?«
»Und meiner Mutter.«
»Ihrer Mutter?« Sie blieb stehen und fühlte sich, als hätte ihr jemand den Boden unter den Füßen weggezogen. Drei Freunde habe er zu Besuch, hatte er gesagt und jetzt das …
Das Korsett war ihr auf einmal viel zu eng.
»Jeder Mensch hat eine Mutter, das dürfte Ihnen bekannt sein.«
»Aber Sie haben mir nie gesagt, dass Ihre hier ist. Ich kann da nicht runtergehen und vor ihrer Mutter so tun, als wäre ich Ihre Verwandte. Sie wird die Wahrheit wissen.« Ihr Herz flatterte, und sie wollte das Gesicht in den Händen vergraben.
Sein Arm um ihre Taille verhinderte dieses undamenhafte Verhalten. »Meine Mutter kennt eben längst nicht alle Geheimnisse der Familie Capelli San Benedetto. Eine neue Verwandte, et voilà. Oder sie wird denken, sie hätte Sie einfach vergessen.« Er näherte seine Lippen ihrer Schulter, berührte die empfindliche Haut. »Außerdem weiß sie schon von Ihrer Anwesenheit, Sie können nicht mehr zurück.«
»Ich kann …« Seine Lippen wanderten weiter über ihre Schultern und verhinderten, dass sie einen klaren Gedanken fassen konnte.
»Sie können nicht. Seien Sie kein Gänschen. Wo bleibt Ihr Löwenmut von eben?« Nicolò legte zwei Finger unter ihr Kinn und hob es an. Spöttisch schaute er ihr ins Gesicht. »Seien Sie nicht feige.«
»Ich bin nicht feige, aber das ist Wahnsinn.«
»Das wäre es, wenn Sie diese Ausdrucksweise beibehalten. Madonna mia, woher haben Sie das? Nicht einmal die Bauern reden so – so ungehobelt.«
Ich kann noch ganz anders, dachte sie und beinahe hätte sie es auch gesagt. Stattdessen bebten ihre Lippen bei der Vorstellung, gleich seiner Mutter gegenüberzutreten. Sie war bestimmt eine gestrenge Matrone.
»Kommen Sie.« Nicolò hauchte ihr einen Kuss auf die Lippen. »Cecilia«, sagte er dann und knabberte zärtlich an ihrem Ohrläppchen. »Meine Mutter wird für alles dankbar sein, was ihr Abwechslung in diese Einöde bringt, und wird es nie wagen, ein von mir inszeniertes Spiel durcheinanderzubringen. Sie müssen sich keine Sorgen machen.«
Er hatte sie Cecilia genannt. Ihr Herz klopfte in einem wilden Stakkato. Eine Hand auf seinen Arm gelegt schritt sie neben ihm die Treppe hinunter.
*** Das Esszimmer war mehr ein Saal als ein Zimmer. Es ging von der Eingangshalle ab und reichte durch die ganze Länge des Hauses. Dem Eingang gegenüber führten hohe verglaste Türen auf die Terrasse hinter dem Haus. Wände und Decken waren mit antiken Szenen bemalt. Sie wusste, dass diese »Grotesken« genannt wurden nach den Bildern aus Neros goldenem Haus. Hier gab es keine unpassenden Wandbespannungen, und die Bilder erstrahlten in einer Frische, dass sie überrascht die Augen zusammenkniff.
Trotz des sommerlichen Wetters brannte ein Feuer
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