Palazzo der Lüste
auf. Sie gehörte nicht hierher, war eine Betrügerin und hatte nichts Besseres verdient, als an ihren niedrigen Stand erinnert zu werden. Ein venezianischer Patrizier könnte es nie ernst mit ihr meinen. Und doch, wenn sie an seine Blicke dachte, lief es ihr heiß und kalt über den Rücken. Trotz stieg in ihr auf, und sie straffte sich innerlich. Solange sie hier war, würde sie sich nicht ins Bockshorn jagen lassen, und wenn er mit ihr spielen wollte, das konnte sie auch.
*** »Signoras, Sie machen es richtig, hier draußen zu stehen. Es ist eine wunderschöne Nacht«, sagte Rossi San Marcuola und stellte sich dicht neben Cecilia. Er müsste nur um ein Winziges die Hand bewegen, um sie zu berühren. Sofort stellte sich Nicolò auf ihre andere Seite. In den Falten ihres Rockes spürte sie die flüchtige Berührung seiner Hand. Du gehörst mir, sagte diese Geste, und heizte ihr Gemüt an.
Donna Sofia flüsterte mit Gonzaga San Vidal, der sich über sie gebeugt hatte, als würde er am liebsten ihren Hals küssen.
»Wir wollen ein Versteckspiel im Park veranstalten«, schlug auf einmal der bisher schweigsame Vianol vor.
Sofort klatschte Nicolòs Mutter begeistert in die Hände, die anderen beiden Gäste waren auch dafür; Nicolò schwieg, er schaute Cecilia an. Alle Augen waren auf einmal auf sie gerichtet.
Ein Spiel zwischen Büschen und Hecken konnte seinen Reiz haben – es entsprach auch genau dem, was sie sich unter dem verspielten Rokoko vorstellte – sofern man vom Richtigen gefunden wurde. Das letzte Mal hatte Cecilia als Kind Verstecken gespielt, und deshalb reizte es sie.
»Spielen wir Verstecken«, stimmte sie mit blitzenden Augen zu.
»Es gewinnt, wer als Letzter gefunden wird«, gab Vianol die Regeln aus; offenbar würde jeder jeden suchen. »Was soll der Preis für den Sieger sein?«
»Ein Kuss von Signora Capelli«, schlug Rossi frech vor.
Cecilia brauchte einen Augenblick, um zu begreifen, dass sie gemeint war.
»Das nicht.« Nicolò sprach sehr entschieden.
Der Preis war damit hinfällig, das Spiel begann trotzdem. Als Erste eilte die ältere Signora Capelli von der Terrasse in den Garten und verschmolz mit den Schatten. Die drei jungen Männer folgten ihr.
»Ich werde Sie zu finden wissen«, verabschiedete sich Nicolò.
Sollte er es versuchen. Sie verließ die Terrasse und ging im Garten in die entgegengesetzte Richtung. Es dauerte nicht lange, da hatte sie der Park verschluckt. Sie ging über sorgfältig geharkte Wege, ohne Ziel bog sie mal nach rechts, mal nach links ab. Das Wasserbassin ließ sie hinter sich. Von den anderen war nichts zu sehen.
Cecilia setzte sich auf eine Bank und schaute zu den erleuchteten Fenstern der Villa. Der Abend war sommerlich warm, absolut windstill und viel dunkler, als sie gedacht hatte. Sie konnte kaum die Hand vor Augen sehen. Um wie viel heller war doch ihre Zeit.
Ihre Gedanken wanderten zu Stefano. Was mochte er von ihr denken, nachdem sie ohne ein Wort verschwunden war? Und vor allen Dingen, was hatte er gesehen? Hatte sie sich in Rauch aufgelöst oder war sie mit einem Knall verschwunden? Fragen über Fragen und keine Antworten. Statt Kunst hätte sie besser Literaturgeschichte studieren sollen, dann wüsste sie wenigstens, welche Bücher über utopische Reisen es im Jahre 1754 bereits gab, und die ihr vielleicht helfen konnten wieder zurückzukehren. Sie meinte sich an französische Mönche als Autoren zu erinnern, aber weder Namen noch Titel fielen ihr ein. Nicolò hatte von einer Bibliothek in seinem Stadthaus gesprochen, vielleicht konnte sie dort etwas finden. Sie würde sich nachts hinschleichen und suchen.
Sie stützte den Kopf in die Hände. Der Stein, für den Nicolò sich so auffällig interessiert hatte, war bestimmt für ihre Zeitreise verantwortlich. So war es doch immer, es gab einen geheimnisvollen Gegenstand, der die Zeitreise auslöste, und der sie auch wieder zurückbringen konnte. Bei nächster Gelegenheit würde sie von Nicolò das Halsband zurückverlangen und es nicht mehr aus den Augen lassen.
Ach Stefano – kaum glaubte sie, den Mann fürs Leben gefunden zu haben, passierte ihr so etwas, und ihre Überzeugung wurde durch einen venezianischen Patrizier ins Wanken gebracht. Wenn er und Nicolò sich nur nicht so ähnlich wären, und ihr nicht Schauer über den Rücken jagten, wenn er sie nur ansah. Zwei Seiten einer Medaille, kam ihr wieder in den Sinn. Im Moment ließ
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