Pallieter
auf den Wogen der See hier angespült und durch das Land gezogen«.
Und dahinter kamen laut plärrend alle weiblichen Mitglieder der Kongregation, alte und junge, und ihr schnelles, gedämpftes »Bitt für uns« antwortete ununterbrochen auf die messerscharfe Litaneistimme einer stämmigen Begine. Jede hatte den Rosenkranz in der Hand und das blaue Band mit der silbernen Medaille um den Hals.
Charlot war unter ihnen, sie brauchte wohl Platz für drei, und sie blickte nicht einmal nach Pallieter, Mariechen und ihrer Familie auf.
Kleine Jungens, als rote Päpstlein und purpurne Bischöfe angezogen, folgten mit Stab und Laterne.
Zwölf Beginen in weißen Tüchern trugen mit vieler Mühe den schweren silbernen Reliquienschrein von Sankt Begga. Er glänzte wie die Sonne und schoß Strahlen durch die Luft.
Und dahinter in fünf langen Reihen folgten alle Töchter Beggas, weiße Tücher, die bis zur Erde hingen, über dem Haupt. Sie sahen aus wie Gespenster und sangen mit mageren, verhungerten Stimmchen schleppende Gesänge auf lateinisch.
Und dann ein rauschendes Farbengewimmel von seidenen und samtenen Fahnen, silbernes und messingenes Blinken und das Strahlensprühen von hochgetragenen, brennenden Laternen und Fackeln. Darunter, mit zerdrückten, weißen, seidenen Zylindern und schönen Halstüchern, all die alten Männer vom Beginenhof, jeder mit einer qualmenden, armsdicken Fackel. Auch die drei blinden Burschen waren dabei.
Und danach beschloß in blendendem Glanz von sonnenbeschienenem Gold, umgeben von Gesang und Schellengeklingel und süßem Weihrauchdunst, der Herr von da droben die Prozession.
Jedermann fiel auf die Kniee und faltete die Hände.
Vier Männer in Rot hielten den goldenen Baldachin in die Höhe, unter dem der Pastor in goldenem Ornat die blinkende Monstranz mit dem heiligen Brot vor seinem Antlitz hielt. Seine Augen waren geschlossen, seine glänzende Glatze guckte ein wenig aus dem hohen, steifen Kragen heraus, und die langen, weißen, glatten Haare wehten neben seinen Ohren. Leute aus den Dörfern und aus der Stadt, die mitgingen, kamen hinterher.
Und langsam schritt die Prozession vorwärts unter dem üppigen Laub der hohen Wallbäume. Die Sonne schien darüber, und die Farben glänzten wie Diamant. Der Wind spielte mit den Kleidern und ließ die Fahnen flattern.
Die Musik rauschte, die Schellen klingelten, und die Glocken hallten den großen Festtag in die Welt hinaus.
Pallieter wurde von all der Einfalt, unter der ein so großer Glaube glühte, so gerührt, daß es ihm die Kehle zuschnürte. »Kommt,« sagte er, »wir gehen auch mit.«
Und die Bauern mit Mariechen fügten sich in den Zug ein, und er, Pallieter, der Vetter, schloß die Prozession und trug eine brennende Kerze.
Der Umgang ging so weiter und funkelte von weitem durch die Baumstämme. Zwei Nachtigallen fingen an miteinander zu flöten, der Weihrauch hing noch blau und wohlriechend in den Bäumen, und es lag ein Duft über der Erde wie Balsam.
In den ruhigen Sonntagsfeldern war kein Mensch.
Die Prozession war zurück. Pallieter wandelte mit den Bauern auf dem Wall, und Charlot war drinnen beim Kochen. Im Beginenhof war auf einmal frohes Kindergeschrei, und siehe! aus dem Beginentor kamen jauchzend die weißen Mägdelein und die roten und purpurnen Bischöflein herausgetanzt, jedes mit einem Päckchen Zuckerbohnen. Sie liefen alle zusammen in die Wiese und schrieen und lachten schleckend und lutschend ihre Freude in die Luft hinaus. Es waren wohl vierzig, und es war ein Geriesel und Geplantsche von Farben, daß einem die Augen übergingen. Sie sprangen über die Gräben, jagten sich und pflückten Arme voll Blumen und Pechnelken. Doch drei Beginen kamen scheltend und hießen sie nach Hause gehn, aber die Kinder lachten darüber, schlossen sie in einen Kreis und tanzten singend um sie herum. Die Beginen fanden es so lustig, daß sie sofort mitmachten, und nun kamen alle jungen Beginen, die auf dem Wall spazierten, herangelaufen und tanzten mit im Kreise. Der Pastor erschien und drohte ihnen mit dem Finger. Pallieter stellte sich hinter ihn und winkte den Beginen mit wehenden Armen, den Pastor zu holen. Sie verstanden es und führten den Pastor, er mochte wollen oder nicht, in die lachende Schar. Und sie umringten ihn und drehten sich um ihn und sangen:
»Ist Herr Pastor nicht zu Haus,
Ich wollt ihn gerne sprechen
Heut abend in sei’m Haus.«
Und er, der Pastor, sang mit brechender Stimme dagegen, während
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