Pallieter
dem Tisch und schlief, den Rosenkranz und das Gebetbuch neben sich.
Im Garten roch es nach verkohltem Papier von dem abgebrannten Feuerwerk. Der Mond schien und leuchtete auf Scherben von Flaschen und Tellern im Gras, auf das spritzende Fontänchen und die unordentlichen Gläser, das Eßgeschirr und die Früchte auf dem Tisch.
Pallieter fand es schön. Er setzte sich auf eine Bank und betrachtete es still.
Ganz fern in der Stadt war noch Kirmesmusik, und eine Nachtigall flötete dicht neben ihm. Er sah sie sitzen, mit dem Schwänzchen scharf im Profil gegen die silberne Mondscheibe abgezeichnet.
Sie flötete kurz, belauschte sich lang, aber jeder Ton war Goldes wert. So saß Pallieter lange da mit dem Mondschein auf seinen Händen, und die Nacht sprach zu seinem Herzen. Er ging hinaus.
Die Nethe war still, und nur hin und wieder leckte der Mond eine goldene Falte in das dunkle Wasser.
Die Wiesen lagen voll Dunst, und das Gras war naß vom Tau.
Die Stille war heilig.
Pallieter schritt langsam weiter, pflückte eine nasse Blume, die er zwischen den Zähnen wippen ließ, und sein Schatten wanderte mit ihm.
Er kam in die Felder, wo die Frucht regungslos in dem niedrigen Nebel stand.
Das Korn leuchtete, Sträucher bogen sich mondbeglänzt über mit weißen Blumen bewachsene Gräben, und die Birkenbäume raschelten mit ihren blinkenden Blättern wie dünner Regen.
Er sah das weiße Hinterteil eines Kaninchens durch die Stauden weghoppeln, und ein bißchen weiter saß neben einem Holzhaufen im Gras ein Liebespaar und liebkoste sich schweigend.
Pallieter ging zur Seite, um sie nicht zu stören.
Nach all dem Rumoren und der äußerlichen Freude an diesem Kirmestag war er von dieser vollmondbeleuchteten Nacht ergriffen bis in die Seele, und das Herz schmolz ihm von ungekannter Güte in seiner Brust.
Er dachte an Mariechen, das gute und sanfte Mariechen, das er so schön fand wie ein Feld, deren Leib er umfaßt und deren Lippen er geküßt hatte.
Und er war voll Verlangen, daß Mariechen bei ihm sein möge, so ganz still, Hand in Hand, wie zwei brave Kinder.
Es war etwas in ihm, was er sich nicht erklären konnte, aber er ließ es ruhen, denn es war so süß für die Seele, wie eine kühle Kirsche für einen warmen Mund. Und an einem Tümpelchen, in dem der Mond stand, holte er die Mundharmonika aus der Tasche und seufzte und saugte solche zarte Silberklänge daraus, daß es klang, als wäre es der Mondschein, der sänge.
Ein dionysischer Tag
E s war schon einige Zeit nach der Kirmes...
Die Sonne war noch kaum aufgegangen, und die ersten Schwalben schossen in der Luft herum, da stand Pallieter schon auf dem Mühlenberg am andern Nethe-Ufer und schlug und knallte mit einer langen Fuhrmannspeitsche, daß es widerhallte, als ob in der ganzen Welt mit Peitschen geknallt würde.
Er lehnte sich gegen die Steinpfeiler der alten hölzernen Mühle, und die breiten Flügel zischten schnell mit lautem Ächzen an seiner Nase vorbei, und zwischen jedem Schlag sah er das Netheland, bedeckt mit dickem, weißem Morgennebel.
Die Sonne hing noch mattgelb hinter der grauen Stadt, wo die Glocken in Klöstern und Kirchen zur Frühmesse läuteten und das schrille Pfeifen der Eisenbahn die Luft durchschnitt. Die Sonne konnte noch nicht auf die Bäume scheinen, aber hinter dem unsichtbaren Wald blähte sich schon ein breiter Windstrom hervor, der Löcher in den Dunst drehte, und die Bäume begannen zu rauschen.
Von Nebel umwallte Kühe brüllten einander zu.
Pallieter dachte an Mariechen, die sich seit jenem Sonntag in seinen Gedanken eingenistet hatte, und sagte:
»Oh, meine Schwester, meine Braut, du hast mich verwundet mit einem deiner Augen und mit einem Haar deines Nackens!«
Er dachte an ihr Antlitz, das so angenehm zu schauen war, und an ihren jungen Leib; und fester schlug und knallte die Peitsche die heller werdende Luft auseinander.
Die Sonne stieg, die Wolken brachen vor dem Licht auseinander, und tiefe, blaue Höhlen klafften über der Erde.
Die Nebel sanken, die Fenster der Stadt glommen feurig, die Wetterfahne auf einem Gehöft glitzerte auf, und siehe, Sonnenschein wanderte über das Land und bedeckte es ganz. Frisch gepflügte Felder schlürften schimmernd die Helligkeit auf ihre fettigen Schollen, daß sie wurden wie glänzendes Wasser. Es brummte und summte von Käfern und Fliegen. Pallieter rief:
»Vater Sonne befruchtet Mutter Erde.«
Und er lief ohne weiteres flink zwischen den
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