Paloma - Ein Liebesroman (German Edition)
sie die Insel restlos ruinieren?“
„Ich denke manchmal, genau das ist bereits passiert. Sei mal ehrlich, Desiree, das Einzige, das wirklich was bringen würde, wären andere Gesetze. Nur sind die natürlich nicht zu erwarten, nicht in einem Land, das blind an die Segnungen des Massentourismus glaubt.“ Philipp füllte sein Glas ein zweites Mal. Desiree hatte kaum etwas getrunken.
„Weißt du noch, wie ich früher der Meinung war, du würdest alles zu schwarz sehen? Damals als sie gerade anfingen, die großen Hotels zu bauen. Ich war schon unglaublich naiv damals, was?“
Desiree seufzte. „Das warst du, weiß Gott! Erinnerst du dich noch, dass du gesagt hast, der Süden ist für alle da?“
„Ja, aber mittlerweile denke ich auch, dass sie zu weit gegangen sind, dass sie längst ein Limit setzen müssten bei der Zahl der Hotelbetten. Dass irgendwas zum Schutz der kleinen Insel hätte getan werden müssen.“
„Es gibt keinen Schutz der Menschen vor den Menschen.“
„Nein. Anscheinend nicht.“
Es nieselte jetzt nur noch. Dabei stand das Wasser in den Eimern und Schüsseln, die Philipp rausgestellt hatte, noch keine zehn Zentimeter hoch. Nicht gerade viel, dachte er, aber wohl doch genug, um den Pflanzenbestand auf der Insel wieder für eine Weile am Leben zu erhalten – zumindest den, der nicht von Baumaschinen platt gewalzt wurde. Da in vorderster Linie am Strand bereits fast jeder Quadratmeter bebaut war, setzten sie im Moment bereits eine zweite und dritte Reihe dahinter. In einigen Gegenden waren ganze Urbanisationen entstanden.
Manchmal erschien Philipp das Ganze wie systematisch erdachter Irrsinn: leere Geisterstädte in den Wintermonaten und Trubel und Menschenmassen während der Sommersaison. Und da der Kuchen mittlerweile verteilt war und sich herausgestellt hatte, dass er nicht für jeden reichte, der hier auf der Insel seinen Profit machen wollte, wurde eben fröhlich weitergebaut. Immer mehr, immer höher und größer.
Aber im Grunde war Philipp davon überzeugt, dass diese Entwicklung niemand mehr aufhalten konnte, auch Desiree und ihre Gruppe von Mitstreitern nicht. Und manchmal fragte er sich sogar, ob Desiree in ihrer gutmütigen, hilfsbereiten Art überhaupt ahnte, auf was sie sich da eingelassen hatte. Neulich war die Polizei bei ihr gewesen. Bestimmt nicht zum letzten Mal, befürchtete Philipp. Auf einer Baustelle waren zwei Baumaschinen verschwunden und obwohl Desiree selbstverständlich damit nichts zu tun hatte, hatte man versucht, sie als Wortführerin der Initiative „Salve Magali“ dafür verantwortlich zu machen.
Auch Philipp beteiligte sich aktiv an der Protestbewegung. Er hatte eine ganze Reihe Artikel in deutschen Zeitungen untergebracht mit Überschriften wie „Eine Insel wird zubetoniert“ oder „Das zerstörte Paradies“. Und Desiree hatte über Freunde aus England, Frankreich und Holland dafür gesorgt, dass diese Artikel auch dort erschienen und Vervielfältigungen davon waren dann auf dem Ayuntamiento, dem Rathaus, gelandet.
Die Gruppe traf sich auch schon längst nicht mehr in irgendwelchen Kneipen. Es gab auf der ganzen Insel keine Kneipe, die groß genug gewesen wäre für die vielen Leute, die mittlerweile zu den Veranstaltungen kamen. Sie trafen sich aber auch nicht auf irgendeinem Hof oder Feld, um jeden konspirativen Anschein zu vermeiden. Sie trafen sich in aller Öffentlichkeit auf der Plaza Consistorial in San Lorenzo, auf dem Platz vor dem Rathaus also.
An diesem Abend waren grob geschätzt an die dreihundert Leute da. Darunter wie üblich viele ältere Leute. Die Frauen teilweise noch in ihren alten Trachten mit den langen, dunklen Röcken, schwarzweiß gestreiften Leibchen und blauen Kopftüchern, unter denen der lange Zopf hervor sah. Anfangs waren es hauptsächlich ältere Leute gewesen, die sich der Bewegung angeschlossen hatten. So als ob insbesondere diejenigen, die selber nicht mehr allzu viel Zukunft hatten, sich am ehesten um die Zukunft der Insel sorgten. Aber mittlerweile kamen auch junge und sogar ganz junge Leute, worauf Desiree besonders stolz war, da gerade bei ihnen der Glaube an touristische Großprojekte besonders stark war.
Desiree hatte schon seit längerem Kontakt aufgenommen zu ähnlichen Gruppen auf dem Festland und hatte für diesen Abend einen jungen Mann aus einer Küstenprovinz eingeladen. Und der stand nun, etwas erhöht auf einem Bierkasten, mitten auf dem Platz und sprach mit einem Mikrofon in der Hand über
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